Digitale Bohème: Audiowalk Brave New Work
Jeder der schon mal durch Mitte gelaufen ist, kennt das Bild: Die Cafes sind voll und ziemlich viele Gästen haben ein Laptop vor sich stehen. Es scheint so, als seien Büros überflüssig geworden – wer zur kreativen, selbstständigen Elite gehören will, der braucht nur einen Internetzugang und einen Cafe Latte. Das ist zumindest der Eindruck der bei einem solchen Anblick schnell entstehen kann. Das St. Oberholz am Rosenthaler Platz ist genau so ein Ort für diese digitale Bohème. Aus diesem Grund wurde es auch von dem Züricher Theaterkollektiv „Neue Dringlichkeit“ als Startpunkt ihres Audiowalks ausgewählt. Dieser nennt sich Brave New Work und geht der Frage nach, wie sich die Arbeit in Mitte verändert hat. Ausgestattet mit Smartphone und Kopfhörern geht’s so einmal rund um den Rosenthaler Platz.
Die meisten machen es fünf Tage die Woche, ungefähr 40 Stunden lang: Arbeiten. Wer keine Lust auf die „Nine-to-Five-Maschinerie“ hat, der versucht sein Glück als Freier oder gründet einfach seinen eigenen Laden. Der Bezirk Mitte scheint diese Menschen magisch anzuziehen. Sinja Krüger ist Dramaturgin und hat zusammen mit dem Züricher Theaterkollektiv „Neue Dringlichkeit“ den Audiowalk Brave New Work gestaltet. Sinja Krüger:
„Es geht um neue Arbeit, um den Zwang zur Kreativität und im Grunde, um die ganzen Leute in den Cafes, die den ganzen Tag an ihren MacBooks sitzen und arbeiten.“
Der Bezirk war aber bekanntlich nicht immer so schick, hip und teuer wie heute. Angefangen hat das Kreativzentrum Berlins als armes Arbeiterviertel. Sinja Krüger:
„Uns hat eben auch das Verhältnis interessiert: Wie hat sich die Arbeit in diesem Viertel entwickelt? Wie haben wir auch das, was die Arbeiterbewegung einmal erkämpft hat, wie die soziale Absicherung in einer Situation in der es uns eigentlich gut geht, wieder mit dieser neuen Arbeit weggeworfen?“
Um das Herauszufinden hat sich das Brave New Work Team auf die Suche begeben. Am St. Oberholz beginnt der Spaziergang. Vorbei geht es an vielen historischen Orten, wie dem königlichen Leihamt oder einem besetzen Haus. Sinja Krüger:
„Ich bin mit einem richtigen Berliner, der viel geschichtliches Wissen hatte und sich in der Gegend gut auskennt, durch den Bezirk gelaufen. Er konnte mir an einem Nachmittag bei einem Spaziergang unglaublich viel erzählen. Dadurch hab ich schon mal die Hälfte der Orte gefunden.“
Die andere Hälfte kommt aus Literaturrecherchen und alten Reiseführern. Und auch das Berliner Urgestein Gregor Gysi ist mit von der Partie:
„In Wirklichkeit ist der Selbstständige viel unfreier als jede Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer. Und zwar weil du als Selbstständige und als Selbstständiger niemals zu inneren Ruhe kommst. Es gibt keinen Feierabend. Du musst immer darüber nachdenken: Kommt der nächste Auftrag oder kommt er nicht? Natürlich kann mich die Arbeitslosigkeit erwischen, aber immerhin: Ich bin versichert gegen Arbeitslosigkeit. Die meisten Selbstständigen sind nicht versichert.“
Die Tour endet schließlich am Soho-Haus: dem Mekka für Künstler und Kreative. Schade eigentlich, dass nur der reinkommt, der schon erfolgreich ist und das ist nicht das einzige, was kritisch betrachtet werden muss. Sinja Krüger:
„Natürlich steckt da sehr viel Kritik drin. Das ist eben zweischneidig. Einerseits finden wir diese Entwicklung schwierig. Andererseits machen wir sie mit – und tragen sie.“
Bei der Brave New Work Tour gibt es nicht nur neue, alte Orte in Mitte zu entdecken, sondern auch Gelegenheit sich einmal mit seinem Arbeitsverhalten auseinanderzusetzen.
Wer sich auch mal mit dem Guide durch Mitte begeben möchte, der kann sich den Audiowalk kostenlos auf sein Handy ziehen. Dazu müsst ihr einfach nur im St. Oberholz am Rosenthaler Platz vorbeischauen, euer Smartphone mitbringen und schon geht’s los.
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