Tauschen und tauschen lassen
Jetzt wo der ganze Weihnachtsstress vorbei ist, wird es Zeit Geschenke-Bilanz zu ziehen. Wer Omas geschenkten Schlafanzug einfach nicht gebrauchen kann, weil es gefühlt der Drölfundneunzigste ist, der sollte Unerwünschtes einfach umtauschen und sich was Anständiges holen. Jörg Petzold und Miki Sič haben für euch 7 Bücher zusammengestellt, die eine Alternative zu missglückten Geschenken sein könnten.
„Der König, die Sonne, der Tod“ von Yuri Herrera
Der König, die Sonne, der Tod versammelt drei Romane, die Herrera zu einem der eigenwilligsten lateinamerikanischen Erzähler der letzten Jahre machen. Die mexikanische Wirklichkeit, die wir aus den Nachrichten kennen – die Welt der Drogenkartelle, der sinnlosen Gewalt, der illegalen Einwanderer in den USA –, ist der Bodensatz, auf dem Herrera seine Geschichten ansiedelt.
Fazit von Jörg Petzold:
„Yuri Herrera ist hierzulande noch fast gar nicht bekannt und das sollte sich schleunigst ändern. Es ist kein üblicher Mexikoroman, wo es um die Geschichte geht und das heutige Elend fast pornographisch dargestellt wird. Herrera hat einen sehr eigenen, sehr puren und fesselnden Stil. Egal was ihr dagegen eintauscht – es ist auf jeden Fall ein Gewinn!“
„Die Interessanten“ von Meg Wolitzers
Nach dem Tod ihres Vaters will Julie Jacobson nur noch eins: raus aus der Tristesse ihres provinziellen Zuhauses. Ein Sommercamp an der Ostküste eröffnet ihr eine neue Welt. Eine Welt der Kunst, Kreativität und Freiheit, verkörpert durch die interessantesten Menschen, denen sie je begegnet.
Fazit von Jörg Petzold:
„Das Interessante an den Interessanten sind definitiv die Biographien der Protagonistinnen. Und dann steht die Frage im Raum, ob das, was sie geworden sind, tatsächlich das ist, was sie einmal werden wollten. Es geht um Kunst, Talent und Selbstverwirklichung – und das sind alles zentrale Themen heutzutage. Wunderbar leicht und flüssig ist es auch geschrieben und deshalb meiner Meinung nach ein toller Roman für unsere Generation IMM: Irgendwas Mit Medien.“
„Low Fidelity“ von Gereon Klug
Mitten in der nicht enden wollenden Krise der Musikwirtschaft gründet Hans. E. Platte einen Plattenladen im Hamburger Schanzenviertel und beweist damit wozu modernes Anti-Marketing in der Lage sein kann: nämlich dem Kunden nonchalant Produkte unterzujubeln. Und er zeigt, wie wichtig es ist, der Liebe und dem Hass auf Leben, Menschen und Musik eine ordentliche Portion Witz beizupacken – in „Low Fidelity“ von Gereon Klug.
Fazit von Jörg Petzold:
„Unter ECHTEN Insidern war der Newsletter der Hanseplatte wohl schon immer ein absolutes Muss, umso schöner, dass dieser herrliche Nonsense, diese Sprachspielereien, diese freudigen Fisimatenten endlich auch als Buch vorliegen. Ob in der U-Bahn oder auf dem Klo genossen – pure Freude, pures Lesevergnügen.“
„Anima“ von Wajdi Mouawad
Ein Mann findet seine Frau auf brutale Weise ermordet in seinem Haus in Montréal. Die Polizei kann zwar die Identität des Mörders feststellen, ihn aber nicht verfolgen. Also begibt sich der Witwer selbst auf die Suche nach dem Schuldigen und auf eine Odyssee, die ihn quer durch Nordamerika führt.
Fazit von Jörg Petzold:
„Ich halte ja gar nichts von den Texten auf den Buchrücken, aber das Zitat aus dem L`Express halte ich für sehr aussagekräftig: „Eine Zeitbombe, die mitten in ihrer Bibliothek gezündet wird“. Ein gewaltiges Buch, gar nicht nett, trotzdem poetisch – ein großartiges Buch, sehr zu empfehlen!“
„Und, was machst du so?“ von Patrick Spät
Lohnarbeit, Gartenarbeit, Beziehungsarbeit – alles ist zur Arbeit geworden. Arbeit ist das Lebenselixier des modernen Menschen, ein Fetisch, mit dem wir uns selbst geiseln – schreibt Patrick Spät in seinem Buch „Und, was machst du so“.
Fazit von Jörg Petzold:
„Wenn ich mir die Büchertische meiner Lieblingsbuchläden anschaue, dann sehe ich wahnsinnig viele Bücher über die Krise des Kapitalismus, der Politik, die ökologische Krise, Veranstaltungen mit Kapitalismuskritikern werden gestürmt. Offensichtlich bildet sich ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass wir uns in einer Zeit des Umbruchs befinden. Mit diesem Buch kann man ganz hervorragend das eigene Arbeitsethos hinterfragen und sich gleichzeitig darüber klar werden, wie viel man selbst zu dem heutigen Schlamassel beiträgt.“
„Vierstromland“ von Nora Wicke
Eliza, die zarte und poetische Hauptfigur des Romans, will den Lebensspuren ihrer Mutter nachgehen. Außer ein paar Briefen ist von ihr nicht viel geblieben. Und so führt „Vierstromland“ auf Pariser Boulevards und Berliner Brachen, in Bukarester Vororte und Belgrader Gässchen.
Fazit von Jörg Petzold:
„Vierstromland ist sehr gefühlvoll erzählt, ein sehr persönliches Buch. Ich hoffe, dass sich viele von dieser Art des Erzählens angezogen fühlen werden. Anfänglich dachte ich, es würde mir zu schwer, aber dann hat es mich hinein gezogen und über die ganze Geschichte getragen – also noch ein sehr guter Tausch.“
„Wildauge“ von Katja Kettu
Lappland im Sommer 1944. Johannes ist deutscher Offizier, der als Fotograf die finnischen Verbündeten porträtieren soll. Sie: die Hebamme von Petsamo, Spitzname: »Wildauge« fühlt sich sofort zu dem schweigsamen Mann in Uniform hingezogen. Und ist sich sicher: Das ist ihr Mann. Überallhin würde sie ihm folgen…
Fazit von Jörg Petzold:
„Noch so ein kraftvolles, eher raues Buch hier bei Tauschen und Tauschen lassen. Außerdem ein Kriegsbuch dazu, aber etwas anders gestrickt als die „normalen“ Kriegsbücher. Da Winter ist, kann man schon etwas härteren Tobak vertragen. Eine herzliche Empfehlung von mir – großartiges Buch!“
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