Be'Kech, Anti Café, Wedding, FluxFM, Anticafe, Berlin
Foto: Ron Stoklas

be’kech – das Anti-Café im Wedding

▷ Letzte Änderung: 2017-07-24
By Nina [FluxFM] |

Egal ob in einer Bar, einem Café oder einem Restaurant – wer von euch dort den Kaffee schon einmal langsamer geschlürft hat, kennt die Situation sicher. Plötzlich wird man von der Seite angefahren, dass man doch mal langsam etwas Neues bestellen soll. Eine Situation, die gastronomisch verständlich ist, aber den Gast ganz schön nerven kann, vor allem wenn man eigentlich nur entspannt arbeiten oder mit Freund*innen quatschen will. Im Wedding gibt’s jetzt ein Café, das anders funktioniert. Ron Stoklas hat das Anti-Café be’kech für euch besucht:


Die Deko-Tajine mit der Ankunftszeit (Foto: Ron Stoklas)

Statt einer Speisekarte bekommt man im be’kech eine kleine Deko-Tajine in die Hand gedrückt, ein Tongefäß aus Nordafrika. Darin versteckt sich ein Zettel, auf dem die Ankunftszeit notiert wird. Bezahlt wird nämlich nicht für Getränke oder Essen, sondern für die Zeit, die man im Café verbringt. Pro Minute fünf Cent, maximal 15 Euro am Tag.

Die Idee hatten die Betreiberinnen Louna Sbou und Nina Martin, als sie auf der Suche nach einem entspannten Arbeitsplatz waren – ohne klassischen Arbeitsplatzatmosphäre.

Louna Sbou erzählt:

„Da dachten wir ‚Na gut, arbeiten wir halt von Cafés aus‘, aber da wirst du ständig gedrängt, irgendwelche Bestellungen aufzugeben. Dann haben wir uns selber ein Konzept für einen Co-Workingspace ausgedacht. Aber einen, der aussieht wie ein Wohnzimmer.“

In der Zeitpauschale, die Besucher*innen zahlen, sind Getränke, Frühstück, mittags sogar ein warmes Gericht und WLAN enthalten. Auf zwei Stockwerken stellt man sich gegen den Konsumzwang. Wer nicht im Café-Bereich arbeiten will, kann sich im be’kech in einen der drei Ruheräume oder in den Meetingraum für bis zu zehn Personen zurückziehen.

Knapp ein Jahr haben die beiden Frauen an ihrer Idee gebastelt, bis das Café schließlich öffnen konnte. Der Name be’kech ist dabei ein Mix ihrer Heimatstädte Berlin und Marrakesch. Statt einem hippen Szenekiez haben sie sich die eher unscheinbare Exerzierstraße im Wedding als Heimat ausgesucht:

„Als wir die Frontgläser abgedeckt hatte, fragten Nachbar*innen natürlich ‚Was soll das jetzt werden, der nächste Hipster-Kack?‘ Klar hatten wir eine Nachbarin, die explizit ein Gespräch über Gentrifizierung gesucht hat. Das hatten wir auch gern gehabt. Als wir dann aufgemacht haben und die Nachbar*innen dann auch wirklich den Raum gesehen und mitgenutzt haben, war das Feedback komplett positiv. Selbst die Nachbarin, die uns als Verdrängerinnen eingeschätzt hat, kommt jetzt alle zwei Tage her und arbeitet von hier aus.“

Es hätte aber auch anders laufen können. Ohne Mitgründerin Nina wäre das be’kech eventuell nicht eingezogen. Denn Liebe auf den ersten Blick war es nämlich nicht, wie Anti-Café-Gründerin Louna Sbou erzählt:

„Nee, gar nicht, weil es total heruntergekommen war. Es war eineinhalb Jahre leer, davor zehn Jahre ein Casino. Entsprechend sah es aus. Nina hatte mehr Fantasie als ich und meinte ‚Da können wir was draus machen‘.“

Statt schwarz-rot-goldenen Casino-Wänden und Spielautomaten sieht man jetzt freigelegtes Mauerwerk, einen kleinen roten Kaugummispender und einen wilden Mix aus verschiedensten Tischen und Stühlen. Eine Optik, die eher an den sonntäglichen Flohmarkt von nebenan erinnert. Und genau das macht das Anti-Café sympathisch – es ist kein Hochglanz-Café, sondern ein Kiez-Wohnzimmer zum Abhängen.

 

be’kech
Exerzierstraße 14, 13357 Berlin
Mo – Fr, 9 – 19 Uhr | Sa – So, 11 – 19 Uhr
Preise: 5 Cent pro Minute, 3 Euro pro Stunde, max. 15 Euro am Tag.

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