Die Unsichtbaren
2013 wurde ein trauriger Rekord gebrochen: erstmals seit dem Ersten Weltkrieg gab es über 50 Millionen Flüchtlinge auf der Welt – und die Tendenz ist steigend. 50 Millionen, das ist eine Größenordnung, die man sich kaum vorstellen kann und zudem eine Zahl, die auch total abstrakt ist. Das Projekt „Die Unsichtbaren“ will das ändern und die Schicksale dahinter zeigen. Aysche Wesche hat mit Annika Joeres gesprochen, die das Projekt angestoßen hat.
Annika Joeres wohnt in Frankreich am Mittelmeer und sieht täglich Menschen, die nach einer oft jahrelangen Odyssee dort ankommen. Doch was ist, wenn sie es geschafft haben? Für Viele setzt sich die Flucht einfach fort: als unsichtbare Einwohner ohne Papiere und Bürgerrechte. Allein in Europa leben sechs Millionen Menschen in der Illegalität. Diese Zahl ging Annika nicht mehr aus dem Kopf:
„Letztendlich ist es einer von hundert Menschen, denen wir täglich begegnen. Also, einer von hundert, den wir in der Bäckerei, auf der Straße, auf dem Spielplatz begegnen – ist jemand, der eigentlich gar kein Recht hat hier zu sein und ich fand diese Zahl enorm und dachte mir da wollen wir doch mal mehr drüber wissen.“
Gemeinsam mit Correct!v, einer Plattform für investigativem Journalismus, startet sie das Projekt „die Unsichtbaren“. Sie wollen hinter diese Zahlen gucken und zeigen, dass jede einzelne für ein Menschenleben steht:
„Das Ziel ist, dass wir die Geschichten sammeln, von diesen Menschen und zwar jetzt nicht nur zwei, drei oder vier, sondern wir wollen hunderte oder tausende sammeln und am Ende dann – ja, eine Bibliothek von Lebensgeschichten haben, von diesen Menschen, von denen wir, die meisten, die legal leben und sich frei bewegen können ja doch sehr wenig wissen. Also wir wollen die Unsichtbaren unter uns sichtbar machen und ihnen ein Gesicht und eine Geschichte geben.“
Es soll die größte Sammlung solcher Geschichten in ganz Europa werden. Die Finanzierung des Mammut-Projekts wurde per Crowdfunding gesichert. Mit den Ergebnissen hoffen die Journalisten etwas anzustoßen:
„Wie viele Kinder sind davon betroffen, welche Berufe haben diese Menschen, wie schlagen sie sich durch? Wie ist die Schwarzarbeit organisiert? Das sind also ganz viele verschiedene Themen, die dann hinterher auch politisch brisant sein können. Na klar finden wir es toll, wenn wir dann als Journalisten Debatten anstoßen können, die möglicherweise langfristig irgendwelche Gesetzesänderungen oder Mentalitätswandel in der Gesellschaft herbeiführen können. Klar, das ist natürlich das große Ziel und der Wunsch von uns allen.“
Die Putzfrau abends im Büro, der Handwerker auf dem Bau. Annika weiß, dass die Menschen ohne Bürgerrechte schon lange ein Teil unserer Gesellschaft sind. Es ist an der Zeit, den Unsichtbaren eine Biographie zu geben.
Wer das Correct!v bei diesem Projekt – oder generell – unterstützten will kann auf ihrer Webseite www.correctiv.org Mitglied werden und dafür all ihre Geschichten und Rechercheprojekte verfolgen. Um Missstände aufzudecken recherchieren sie oft Jahrelang. Für „Die Unsichtbaren“ plant Annika Joerens zum Beispiel ein Jahr nur zum „Geschichten-Sammeln“. Danach sollen Reportagen, Interviews und Artikel für die Öffentlichkeit daraus entstehen.
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