Ja, wieso darf eigentlich nur Baby bei der Hebefigur fliegen? (Bildbearbeitung: Konstantin Peschew und Constanze Kaul)
Ja, wieso darf eigentlich nur Baby bei der Hebefigur fliegen? (Bildbearbeitung: Konstantin Peschew und Constanze Kaul)

30 Jahre Dirty Dancing | Mädchenfilm oder sozialkritisch-politisches Werk?

▷ Letzte Änderung: 2017-10-06
By Raoul [FluxFM] |

Junge Frau fährt mit Eltern ins Sommerressort, verliebt sich in den Tanzlehrer und hat die Zeit ihres Lebens: So lautet der Plot einer der erfolgreichsten Tanzfilmproduktionen aller Zeiten, die Rede ist natürlich von Dirty Dancing.

30 Jahre wird der Kultfilm am 8. Oktober 2017 alt. FluxFM zelebriert das mit einem Dirty Dancing-Special – legt eure Tanzschuhe am Sonntag von 8 – 10 Uhr oder von 15 – 17 Uhr an!

Vielerseits milde belächelt, ist der Film alles andere als nur ein Mädchenfilm. Das sagt zumindest die Journalistin Hannah Pilarczyk. Sie hat zwischen den Zeilen und Stühlen im Ressort der Kellermanns gelesen. Was sie dabei herausgefunden hat, weiß FluxFM-Redakteurin Jasmin Kröger. Vorhang auf für den letzten Mambo dieser Saison von Baby und Johnny!


Es ist der Sommer 2012, als die Autorin Hannah Pilarczyck einen Anruf erhält. Es ist ihre Schwester, die ganz aufgewühlt sagt:

„Jetzt habe ich das zehnte Mal Dirty Dancing angeschaut und fand das erste Mal den Vater heißer als Patrick Swayze, ich glaube ich werde älter.“

Hannah muss zwar lachen, nimmt den Anruf dennoch zum Anlass, den Film nochmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ihr Fazit: Das ist keine Tanzschmonzette, sondern ein sozialkritisch-politisches Werk, das sich auf die Aufbruchstimmung der 60er Jahre bezieht. Ein Film, der die neu gewonnen Freiheiten feiert, die man durch das Aufbrechen von sexistischen und rassistischen Kategorien gewonnen hatte. Und alles beginnt mit einer jungen Frau die eine Wassermelone trägt:

„Sie geht dann eben halt in die Quartiere der Bediensteten in diesem Ressort, sie überschreitet also so eine ungeschriebene Grenze und ganz am Ende tanzt dann ja auch wirklich jeder mit jedem, die Bediensteten mit den Gästen, der Chef mit seinen Angestellten, die ganzen Familien, unterschiedliche Ethnien und es ist tatsächlich ein Auflockern der ganzen Gesellschaft.“

Autorin Hannah empfiehlt es, dringend den Film in der englischen Originalfassung zu schauen. Denn eine Dimension wird im Deutschen nicht deutlich:

„Tatsächlich das das eine jüdische Geschichte ist, für Amerikaner sind die Catskill Mountains eine jüdische Ferienanlange. Das wird in der deutschen Version verdeckt, weil es im Original auch Sätze auf Jiddisch gibt.“

Auch eine der Schlüsselszenen bekommt in der deutschen Übersetzung eine vollkommen andere Bedeutung. Wir erinnern uns, es ist der letzte Abend im Ressort, Baby sitzt schmollend in der Ecke, ihre Schwester singt sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib. Auftritt Johnny. Er kommt an den Tisch der Familie und sagt:

„Nobody puts baby in a corner.“

In der deutschen Fassung wird daraus ein schmieriges:

„Mein Baby gehört zu mir.“

Eh nee das klingt irgendwie anders, findet auch Hannah:

„Das macht ne ganz andere Dynamik zwischen den beiden aus: Da kommt nicht Macho Johnny und pfeift sein Baby bei Fuß, sondern der sagt den Eltern, ihre Tochter gehört ins Rampenlicht.“

Damit, sagt Hannah, ist der Dirty Dancing der einzige Frauenfilm der seine Protagonistin gut behandelt. Und ein Film der fast gar nicht zustande gekommen wäre:

„Die Produzentin und die Drehbuchautorin hatten wahnsinnig Probleme, den Stoff irgendwo unter zubekommen. Es hagelte über 40 Absagen. Immer mit der gleichen Begründung: weibliche Hauptrolle, wen interessiert, was jetzt aus so ’nem Mädchen wird.“

Das Ende vom Lied kennen wir ja… nein nicht das!

Dirty Dancing wird zum erfolgreichsten Tanzfilm aller Zeiten, spielt das 35-fache seines Budgets ein und hält konstant Fernsehquoten. Mehr über seine jüdischen, politischen, gar feministisch-kritischen Spuren gibt’s in Hannah Pilarczyks Sammelband Ich hatte die Zeit meines Lebens zu lesen. Im Zweifel reicht aber auch: Gucken, noch mal gucken… und nochmal.

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