Favelawatchblog
Sie bloggen live aus einer Favela und sie leben auch dort – zwei junge deutsche Journalistinnen. Genauer gesagt: in der Favela Rocinha in Rio De Janeiro, dem größten Armenviertel von Brasilien, mit rund 300.000 Menschen. Und die Favela-Bewohner sind, trotz Kritik an der WM durchaus fußballbegeistert. Julia Oberlohr hat sich den Favelawatchblog mal angeguckt.
Sonja Peteranderl von Favelawatchblog während eines WM-Spiels von Deutschland:
„3:0 – da passiert nicht mehr viel. Die Favela interssiert das sowieso nicht. Es ist einfach zu früh, glaube ich. Hier wird gerade die Bar geputzt…“
Die beiden freien Journalistinnen Sonja Peteranderl und Julia Jaroschewski schauen sich das erste Deutschland Spiel in einer kleinen Bar in der Rua Um an, einer engen, belebten Gasse mitten in der Favela Rocinha in Rio. Und sie sind nicht erst zur WM in die Favela gezogen. Seit 2011 gibt es ihr Mulitmedia Projekt Buzzing Cities. Da verfolgen sie, wie sich Favelas – nicht nur in Brasilien – mit Großereignissen verändern. Und mit ihrer Berichterstattung kratzen sie am schlechten Image der sogenannten Armenviertel. Julia Jaroschewski:
„Das was hier in der Öffentlichkeit existiert, was in den großen Medien existiert, ist eine sehr negative Sichtweise. In unserem Projekt, in unserem Blog haben wir gezeigt, was hier in den Favelas passiert. Das ist eben nicht nur ein Kriegsgebiet, das ist keine Zone wo nur Drogenhändler und Kriminelle arbeiten – sondern ganz normale Menschen.“
Diese Menschen zu Wort kommen lassen, ein realistisches Bild zeigen, das will der Favelawatchblog. Und wie in jeder anderen Stadt ist es auch in der Favela entscheidend, in welchem Viertel man lebt. Sonja Peteranderl:
„Je nachdem, wo man wohnt, kämpft man mit unterschiedlichen Problemen wie ausbleibendem Wasser, dass man mal drei Tage kein Wasser hat, dass der Strom teilweise nicht funktioniert, dass die Internetverbindung sehr instabil ist, oder dass man Kakerlaken in der Wohnung hat, weil die Wände so feucht sind und es nie richtig trocknet.“
Einiges hat sich im Vorfeld der WM in Rocinha durchaus verbessert, Geld wurde investiert in Schulen, eine Bibliothek und ein Sportzentrum, aber das ist nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Julia Jaroschewski:
„Die großen Probleme, die hier noch existieren sind: es gibt kein Abwasser, keine funktionierende Kanalisation, zu wenig Schulen und der Transport funktioniert nicht.“
Probleme, mit denen die beiden Journalistinnen ebenfalls konfrontiert sind, wenn sie hier leben. Und auch wenn sie schon Schießereien miterlebt haben, wirklich unsicher fühlen sie sich in der Favela nicht – weil sie schon lange immer wieder hier arbeiten, die Sprache sprechen und viele Leute kennen. Sonja Peteranderl:
„Wenn man sich in der Favela bewegt, sollte man sich auskennen. Man sollte wissen, mit wem man redet, welche Gegenden schwieriger sind. Wenn man hier wohnt, dann weiß man auch, wo sich Drogenbanden aufhalten, wo es Konfrontationen zwischen Banden und Polizei geben wird. Eenn man sich nicht auskennt und einfach reinläuft, dann kann es problematisch sein.“
Und ja, das im Hintergrund ist ein Hahn – im Moment leben Julia und Sonja nämlich in einer eher dörflichen Umgebung, mit Hähnen und Hunden im Hinterhof. Und auf dem extrem engen Raum bekommt man das auch dementsprechend mit – genauso wie die Fußball-Euphorie, die sich die Favela Bewohner trotz allem nicht nehmen lassen. Sonja Peteranderl:
„Die sind hier schon fußballbegeistert. Sie schauen sich die Spiele auch in der Favela an. Es ist alles schön Grün-Gelb, wenn Brasilien spielt. Aber trotzdem besteht die Kritik an der Regierung und an der Politik.“
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