Flüchtlinge Willkommen
Warum können Flüchtlinge eigentlich nicht in einer WG wohnen – machen wir doch auch. Über 9000 Flüchtlinge kamen 2014 nach Berlin. Ein Großteil davon aus dem krisengeschüttelten Syrien. Um sie unterzubringen, wurden alte Schulen umfunktioniert, Containerdörfer gebaut und sogar Traglufthallen errichtet. Aber in einer WG hätten die Vertriebenen auch gleich sozialen Anschluss und bessere Chancen auf Integration. Zarah-Louise Roth hat so eine WG besucht – hier ist ihr Bericht über das Projekt „Flüchtlinge Willkommen“.
Die Studentin Mareike Geiling gibt Flüchtlingen ehrenamtlich Deutschkurse. Als sie vergangenes Jahr die Zusage für eine befristete Stelle in Kairo erhält, will sie ihr WG-Zimmer in Wedding untervermieten. Mareike überlegt mit Mitbewohner Jonas Kakoschke und Freundin Golde Ebding: „Warum lassen wir nicht einfach einen Flüchtling einziehen?“ Eine naheliegende Idee. Komisch, dass vorher noch niemand darauf gekommen ist. Muss nur noch Geld für die Miete her. Sie fragen bei Freunden und Familie:
„Möchtet ihr 3 Euro, 5 Euro oder sogar 20 Euro im Monat spenden? Und dann hatten wir das Geld innerhalb von zwei Wochen zusammen für ein ganzes Jahr. Deshalb dachten wir: ja, das könnte doch auch bei anderen so einfach funktionieren…“
Aus der Idee wird das Projekt „Flüchtlinge Willkommen“: Jonas erstellt eine schicke Webseite, die Facebookseite hat in ein paar Tagen über 1000 Likes. Als hätte die Welt darauf gewartet. Mitmachen können alle, die mindestens drei Monate lang ein Zimmer in ihrer WG frei haben.
„…weil es soll ja eben auch eine Perspektive für den Refugee geben. Es soll nicht dieses Gefühl entstehen: ‚Ja, für die nächsten zwei Wochen weiß ich jetzt wo ich unterkommen kann‘, sondern das soll wirklich eine Form von Ankommen sein.“
Die drei helfen bei der Organisation der Finanzierung und bei der Vermittlung eines geeigneten Mitbewohners. Mehr als 300 WGs aus ganz Deutschland haben sich schon angemeldet. Über mangelndes Interesse können sich die drei Initiatoren nicht beschweren. Aber manchmal stellen die Gesetze der unterschiedlichen Länder große Hindernisse dar.
„In NRW gibt’s viele Kommunen, da müssen die Refugees drei Jahre in einer Sammelunterkunft leben, bis sie überhaupt woanders hinziehen dürfen. Selbst wenn es Leute gibt, die ihnen bezahlten Wohnraum zur Verfügung stellen.“
In Berlin läuft das moderater ab. In Mareike Geilings Zimmer im Wedding ist inzwischen Bakary aus Mali eingezogen. Vorher hatte der 39-jährige keinen festen Wohnsitz und schlief oft in der U-Bahn. Jetzt kochen die beiden oft zusammen und verstehen sich gut. Bakaray besucht einen Deutschkurs – und hat große Pläne.
„I always said if people helping you, you must try show the people that you are trying by yourself to get on the way. I want to learn german first. And after that, the job I want to do is not easy to get, I want to make jewelry. And the second ‚Krankenpfleger‘, like helping. I was doing that in Italy, voluntary.“
Übersetzung:
„Ich finde, wenn Menschen dir helfen, dann musst du ihnen auch zeigen, dass du dich bemühst, was daraus zu machen und auf eigenen Beinen zu stehen. Erstmal will ich Deutsch lernen. Und dann würde ich gern als Goldschmied arbeiten. Und als Krankenpfleger, das habe ich bereits in Italien ehrenamtlich gemacht.“
So kann gelebte Integration fernab von staatlichen Agenden aussehen. Mareike Geiling:
„Vielleicht gelingt es uns auch mit dem Projekt eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Oder vielleicht sogar eine politische. Und im allerletzten Schritt wär’s natürlich schön, wenn sich ein paar Gesetze ändern würden… Mal sehen! *lacht *“
„Flüchtlinge Willkommen“ gibt es seit ein paar Tagen auch für Österreich. Und weil die Anfragen nicht weniger werden, freuen sich die drei über Hilfe! Wenn ihr sie unterstützen wollt oder ein Zimmer anzubieten habt, dann schaut euch die Seite an: www.fluechtlinge-willkommen.de
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