Forth under – skip down & Baggage | Radio Arty
12. März 2015, 19 Uhr
16. März 2015, 24 Uhr
Diese Woche kommt die israelische Kuratorin Hagar Bril zu Yaneq, um über ihre Ausstellung Baggage zu erzählen. Außerdem kommen Michaela Zimmer, Gabriel Braun und Emanuel Bernstone vorbei und erzählen von aktueller abstrakter Kunst und ihrer Ausstellung Forth under – skip down.
Forth under – skip down
September 2010: The view into the Editorial Office of TAZ across the street. Two houses standing quite close opposite of each other. Beneath a huge amount of vehicles and pedestrians are passing by. Right across offices, in between heavy traffic…the atmosphere almost being reminiscent of New York. Big window front here, big window front directly opposite, making phone calls in front of traffic noise, filtered by glass.
June 2011: Still the same view, but everything much quieter and in the meantime the walls have been painted in a light grey. The Biennale of Venice was good at the time. We had already organized some exhibitions in the space, but now we are coming definitely to an end here.
March 2012: Almost immediately afterwards people suggest to carry on. A group had found itself and about six month later we cross out the “gallery” in the name and found frontviews in a new way, as a collective of artists and theorists.
September 2013: During a further group exhibition Stella Geppert shows a mirror in which the field of vision is a circle-round whole into the exterior environment. If someone looks through, they don’t see their own face but a cut-out of Giatrakou Street in Athens, the place where we exhibit.
March 2015: Now: the view of the eastern blocks across the wide pavement, the broad lane…Moscow and Warsaw are probably like that, somehow, in vast parts. “Tile” once seemed to have been more controversial. After three years everybody is coming together here – including some new ones- to exhibit jointly for the first time. We are linked more by a common praxis, then by a certain artistic style. We know each other longer by now, have held regular meetings, exchanged and shared views and worked together several times. As for the “siting” in art ideas are meeting on formal and conceptual bases. And last not least, what also becomes obvious after three years is, that there is a sustaining and supporting culture of our group, laying underneath all activities.
What else can be written about this exhibition? It functions as a closed society with regular opening times and often turns out to be an internal business on a high burnrate. (Stephan Köhler)
Baggage
„Wenn wir von Land zu Land reisen, haben wir Gepäck bei uns. An erster Stelle ein Handgepäck – die kleine 40 x 50 cm große Tasche mit der wir an Bord eines Flugzeuges gehen dürfen. Alles Größere wird in den Bauch der Maschine geschickt und wir müssen entscheiden: Welcher Teil unserer persönlichen Habe ist der Wichtigste? Was wollen wir nahe bei uns haben, für den Fall, dass unsere Koffer verloren gehen? Wenn wir durch den Flughafen ziehen, ist unser Handgepäck das Einzige was wir bei uns tragen. In einem Zustand der Durchquerung – wenn wir unsere Heimat verlassen – liegt unsere gesamte Welt darin zusammengefaltet. Wir werden zu Reisenden, Nomaden.
Die israelische Gemeinde in Berlin wurde vor langer Zeit gegründet. Aber mit dem neuen Kooperations-abkommen, das Bürgern unter 30 Jahren erlaubt, unkompliziert im jeweils anderen Land zu leben und zu arbeiten, wurde das Verhältnis der beiden Länder zum Gegenstand der Diskussion. Es ist ein kompliziertes Verhältnis, voller Erinnerungen, Schmerz, Schuld und Anklagen aber auch voller Hoffnung, Begeisterung, Vergebung und Kooperation. Die Auffassung zur Emigration ist ein wunder Punkt der israelischen Gesellschaft. Wenn so viele junge Menschen ihre Heimat verlassen, um auf fremden Boden zu leben, dann fangen die gefestigten Vorstellungen von Nationalität, Vermächtnis und Identität an, auseinander zu fallen. Warum ist es so falsch, den einen Ort für einen anderen aufzugeben? Ist das notwendigerweise eine schlechte Sache?
Eroberungen und Reisen spielten und spielen immer noch eine große Rolle in der westlichen Kultur. Nur dem Verlassen der Heimat und dem Reisen an unbekannte Orte ist es zu verdanken, dass wir neue Gebiete auf der Erde und im Weltall erschließen konnten. Unsere Neugier und der Drang nach Abenteuer haben die Menschheit zu großen Errungenschaften geführt. Wir alle wünschten wir könnten entdecken, untersuchen, erleben und uns wenigstens einmal neu erfinden – unbeachtet unseres Hintergrundes.
Wäre es nicht großartig noch einmal ganz von vorne anzufangen? An einem neuen Ort. Die Vergangenheit hinter uns lassend in ein Flugzeug steigen, auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Aber dann ist da die Heimat. Der Platz an den wir gehören. Manchmal wird das befreiende Gefühl von Nomadentum durch ein starkes Bedürfnis nach festem Boden unter den Füßen abgelöst. Können wir entscheiden wo diese Heimat sein wird? Können wir sie wählen? Und warum ist es überhaupt so schwierig, das Zuhause zu verlassen? Was ist es, dass uns hält. Obwohl im Deutschen das Wort Fernweh existiert, haben viele Sprachen keinen eigenen Terminus, um unsere Sehnsucht nach einem neuen Ort zu beschreiben. Aber es gibt einen für Heimat.
Die alten Griechen benutzten ein einzigartiges Wort um ihre Heimkehr nach langen Reisen zu beschreiben: Nostos (νόστος). In Kombination mit Algos ( λγος, gleichbedeutend ἄ Schmerz), wurde dieses Wort zum ethymologischen Ursprung für Nostalgie, wörtlich übersetzt: Heimweh.
Vielleicht ist Heimat nicht ein Ort, sondern ein Gefühl.
So steht unser Gepäck als ein kleines Denkmal für unsere Reisen um die Welt, doch unsere Koffer enthalten immer ein Stück Heimat. Erlauben jedem von uns, sein zu können, wo immer man sein möchte. Zu gehen und zurück zu kehren.“ (Hagar Bril)
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