Matthias Beckmann und Jia | Radio Arty
2. Juni 2016, 19 Uhr
6. Juni 2016, 24 Uhr
Dieses Mal sind der Berliner Künstler Matthias Beckmann und die Schriftkünstlerin Jia zu Gast bei Radio Arty.
Name?
Matthias Beckmann. Manche nennen mich auch Carl Weissenhofer. Zum Beispiel meine Brüder Bob und Keith. Das ist eine fiktive Bruderschaft, die schon seit 20 Jahren erfolgreich bestreitet eine Künstlergruppe zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte und man würde Stunden dafür brauchen.
Wie beschreibst du deine Kunst?
Ich bin ein unaufgeregter Zeichner, der gerne Sachen, Situationen und Menschen zeichnet. Gerne mitten im Leben und an Orten des Alltags. Und da ich Zeichner bin und mich also mit der äußeren Form beschäftige, muss ich auch nicht alles verstehen oder analysieren. Hinschauen reicht vollkommen wenn man das Hinschauen ernst nimmt. Ich zeichne vor dem Motiv, ich verwende keine Fotos und kein Radiergummi und am Ende befinden sich Linien von gleicher Strichstärke auf dem Blatt. Man erkennt etwas wieder, doch ist es auf ein Liniengerüst reduziert.
Was treibt dich an?
Die Lust am Zeichnen. Die Faszination, dass der Stift in kurzer Zeit eine ganze Welt auf dem Papier herbeizaubert, die Beschäftigung mit dem, was andere schon gezeichnet haben. Wie hat es Albrecht Dürer gemacht, wie Egon Schiele, wie Adolph Menzel, wie Wilhelm Busch, wie David Hockney, wie Tomi Ungerer, wie der große Hokusai? Da wird man einerseits ganz ehrfürchtig wenn man das sieht und bekommt dann andererseits wieder Lust zu zeichnen weil das ein ganzer Kosmos ist.
Wann kann man das nächste Mal etwas von dir sehen (Ausstellung o.ä.)?
Ich habe in einer Flüchtlingsunterkunft in der Lobeckstraße in Berlin-Kreuzberg gezeichnet. Von einigen Zeichnungen habe ich nun Postkarten gemacht, die im Rahmen des Kunstprojekts superurbanvillage an öffentlichen Orten in Berlin-Moabit zum Mitnehmen ausliegen. Thema der 10 Kunstprojekte von superurbanvillage ist Flucht und Identität.
Eröffnung mit anschließendem Rundgang zu allen Projekten im öffentlichen Raum ist am Freitag, 3. Juni um 18 Uhr im Hof der Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten, Turmstr. 75 in Berlin-Moabit.
Und dann die Eröffnung der Ausstellung Matthias Beckmann – Suche Hedwig!!! am Montag, 6. Juni 2016 um 19 Uhr im Foyer des Kathedralforums St. Hedwig, Hinter der Kath. Kirche 3, 10117 Berlin. Ich habe für einen Kalender für 2017 die Hedwigs-Kathedrale und das direkte Umfeld gezeichnet. Die Orgel, den Altar, die heilige Messe, den Bauzaun, die Gottesdienstbesucher, Touristen und auch die Bettler.
Wer sollte dort vorbeikommen?
Alle, die die Kunst lieben.
Was ist dein Kunst-Insidertipp?
Meine Lieblingsausstellung in Berlin ist „Günter Brus – Störungszonen“ im Martin-Gropius-Bau, noch bis zum 6. Juni. Den Wiener Aktionismus mag ich nicht besonders, doch Günter Brus hat schon früh den Absprung geschafft vom realen Geschehen mit Malträtierungen des eigenen Körpers und extremen Aktionen hin zum Papier als Ort der Phantasie. Selbst die krudesten Phantasien und Gewaltexzesse sind doch auf dem Papier etwas ganz anderes als in der Realität. Und Brus gelingt es, vieles zusammen zu bringen, Radikalität und Romantik, Wortkaskaden und Bilder, Obsessionen und den Mut zum Dekorativen. Und das Wichigste: Es ist eine Lust, das anzuschauen.
Was muss man sonst noch über dich wissen?
Man muss nicht viel über mich wissen. Es ist oft besser nicht zu viel zu wissen. Aber man kann mich fragen, dann erzähle ich auch was.
Was willst Du in dieser Sendung loswerden? Was liegt Dir am Herzen?
Im Vorgespräch sagte ich ja, dass ich nur eine Bedingung stelle für den Besuch im Radiostudio. Ich will einen Suchaufruf starten.
Zwei junge iranische Männer, Ali und Abu-Bakr, 22 und 28 Jahre, die ich aus der Flüchtlingsunterkunft in der Lobeckstraße kenne, suchen eine günstige 2-Zimmer-Wohnung. Die Bruttokaltmiete (Grundmiete zzgl. kalte Betirebskosten) darf maximal 437,40 kosten.
Es ist für Flüchtlinge extrem schwierig Wohnungen zu finden. Ich will den beiden helfen, dass es klappt.
Antworten gerne an mich info@matthiasbeckmann.com. Meine Adresse findet man auch auf meiner Website.
Name
Jia
Wie beschreiben andere deine Kunst?
Die Schriftkunstwerke von Jia zeigen auf den ersten Blick einen geordneten Kosmos, hinter dem sich allerdings Verlust und Brüche offenbaren. Es geht ihr nicht um eine Verlängerung von Traditionen in die Gegenwart; vielmehr benutzt sie einen von ihr selbst als „hübsch“ bezeichneten formalen Aspekt aus dem Repertoire der chinesischen Kunstgeschichte, um verhängnisvolle Vorgänge zu thematisieren. Konzeptionelle Anleihen nimmt sie eher bei der Text-basierten amerikanischen Konzeptkunst als bei ostasiatischen Traditionen. Nicht die Kultivierung der
Persönlichkeit, sondern eine weitreichende Ent-Individualisierung sind ihr Thema.
Jia schreibt die Zeichen nicht in klassischer Weise, sondern stellt sie mit Hilfe von lasergeschnittenen Schablonen und Acrylfarbe her. Sie benutzt einen Schriftfont, der für die ersten Druckmaschinen entwickelt wurde, aber auch für Propaganda-Poster zum Einsatz kam. Ihre Arbeiten kreisen um die Folgen der Schriftreform in der Volksrepublik China 1955. Sie blättert ein Archiv der Verluste auf, das von den semantischen Einbußen kündet, die mit den Vereinfachungen einhergingen. Die gefällige Oberfläche ist sinnentleert. Die Widersprüchlichkeit von Inhalt und Form spiegelt sich auch in den Fotos aus „The Road Series“.
Wann kann man das nächste Mal etwas von dir sehen (Ausstellung o.ä.)?
Schnittmengen. Zeitgenössische Kunst und die Überlieferung
03.06.2016 bis 08.01.2017
Museum für Asiatische Kunst
Die Werke von acht Künstlern – Sven Drühl, Jia, Naoko Matsubara, Ônishi Hiroshi, Rhee Jae Yong, katehers RHEE, Luzia Simons und Aiko Tezuka – interagieren mit traditionellen Kunstwerken der
Ostasiatischen Kunstsammlung. Die Dialoge in den Räumen der ständigen Ausstellung hinterfragen Sehund Denkweisen, lassen bekannte Objekte in neuem Licht erscheinen und offerieren überraschende
Einsichten und Perspektiven.
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