Radeln ohne Alter | Neustart
Das Recht auf Wind in den Haaren – sollten alle haben. Findet Calle Overweg. Deshalb fährt er Senioren, die selber nicht mehr können, mit dem Fahrrad spazieren. In einer speziellen Rikscha, von der es bisher nur eine einzige in ganz Berlin gibt. Mara Nolte war bei einer Spazierfahrt dabei.
Calle und Jutta haben ihr erstes Date beim Radeln ohne Alter.
Spazierfahrten mit der Rikscha, die Calle Overweg im Seniorenzentrum Schöneberg anbietet – gratis. Die Idee hat er aus Kopenhagen – dort haben sich die Rikscha-Fahrten schon längst als Freizeitspaß ohne Altersbeschränkung etabliert. Calle ist mit Jutta Volgmann im Volkspark Wilmersdorf unterwegs. Sie hockt im Sitzkasten der Rikscha, eine rote Sonnenbrille auf der Nase, hinter ihr tritt Calle in die Pedale.
Zuerst war Jutta Volgmann ein bisschen skeptisch:
„Es ist immer so ein leichtes schlechtes Gewissen dabei, genauso wenn mich jemand mit dem Rollstuhl durch die Gegend fährt.“
Davon lässt sich Calle Overweg aber nicht abhalten. Er meint:
„Es ist ein kleines Abenteuer, das führt dann dazu, dass sobald es läuft, sie irgendwie erleichtert sind und sich aufgehoben fühlen und es führt zu relativ offenen Gesprächen.“
Für Jutta ist es eine Erleichterung:
„Hier hinter dem Block so ungefähr hab ich gewohnt, und das war für mich immer ein Klacks hierher zu laufen. Meine Behinderung rührt von einem Schlaganfall.“
Unbeweglich sein – das Problem hatte auch der Vater von Gaya Schütze, sie steht im Lagerraum ihres Fahrradladens in Kreuzberg und erzählt. Als ihr Vater dement wird, holt sie ihn nach Berlin und weiß erst nicht, wie sie ihn von A nach B bringen soll. Gaya fährt nicht mit der Bahn, nur Fahrrad. Also muss der Vater mit auf’s Rad. Gaya holt die erste und bisher einzige Senioren-Rikscha von Kopenhagen nach Berlin, packt ihren Vater in den Sitzkasten und fährt los.
„Das hat uns wirklich auch nochmal zusammengeschweißt, also so die letzten vier Jahre die waren wirklich nochmal total toll, obwohl er dement war, aber das war wirklich emotional, gerade dieses Rad fahren, das war für uns beide eine total tolle Sache.“
Als ihr Vater stirbt gibt sie die Rikscha an Calle weiter. Der sucht jetzt Sponsoren für neue Rikschas und freiwillige Fahrer, die in ihrer Freizeit spazieren fahren wollen. Im Park müssen die meisten Menschen auf jeden Fall lächeln, wenn Calle und Jutta vorbeifahren. Für Jutta und Calle ist das erste Rikscha-Date gut gelaufen.
Calle sucht übrigens noch Chauffeurinnen und Chauffeure. Interessenten melden sich bitte auf der Seite radelnohnealter.de!
2 Kommentare