Radio Arty mit Disturbanity
Der aus dem Ruhrgebiet stammende Künstler Matthias Gephart fühlt sich über Genregrenzen hinweg einer Reihe von visuellen Disziplinen eng verbunden, denen er sich mit ausserordentlicher Leidenschaft widmet: als Illustrator, Fotograf und Graffiti Artist verfolgt er unter dem Label Disturbanity Graphics seine eigene Interpretation von „Wildstyle“. Ein Hang zu Detailfreude, (De-)Konstruktion und Mysterium lässt sich nicht leugnen: er zieht sich als silberner Faden durch die Arbeiten – vom Wandbild als typografische Installation über Plattencover und Logo-Design bis hin zu surrealer Montage und fotografischem Portrait. Matthias lebt mit nie versiegender Schaffensfreude als Grafiker in Berlin.
In der Rubrik Krautfunding hatten wir uns vor kurzem mit der Finanzierung seines Monographie-Buchprojekts RARE SHOTS ON PLANET X beschäftigt – einem opulenten Streifzug durch die visuelle Welt abseits des Mainstreams. Es geht um Underground und Angewandtes, subversive Kultur und zeitgenössische Kunst. Heute geht’s bei Radio Arty nochmal konkreter um die Person Matthias Gephart.
Matthias begann seinen künstlerischen Werdegang als staatlich „geprüfter“ Graffiti-Writer Ende der 80er im Ruhrgebiet, zwischen Bahnlinien und brachliegenden Zechengeländen. Später studierte er Visuelle Kommunikation, eckte stets und gerne an und wurde 2003 nach dem Diplom von den Professoren mit den Worten entlassen: „Herr Gephart, suchen Sie sich besser eine Nische“. Diese Nische hat Gephart gefunden: unter dem Label Disturbanity Graphics arbeitet er als Grafiker & Illustrator und gestaltet Plattencover, Boards und Bücher, Shirts und surreale Bilder, zeichnet, malt, siebdruckt und fotografiert. Freie und angewandte Arbeit gehen oftmals nahtlos ineinander über oder sind nur durch ihren Kontext zu unterscheiden. Die Sprühdose hat Matthias Gephart nicht aus der Hand gegeben, aber das alte Ziel und Spiel des »writing my name for fame« durch einen besonderen Umgang mit den ausgewählten Orten ersetzt: Hier geht es nun mehr um die märchenhafte Atmosphäre an abgelegensten Orten, in der typografische Form und Architektur zusammentreffen. Matthias Gephart hat einen als Zeichner bekannten Bruder namens Felix, für den er 2013 bereits ein Buch gestaltet hat, und mit dem er seit jeher gemeinsam malt – und in den letzten Jahren auch Graffiti-Projekte mit politischem Bezug umsetzt, so mit AntiKriegs-Bildern und einer Putin/PussyRiot-Wand. Zudem singt und textet Matthias in einer Band, die Post-Punk und Hardcore mischt – hat aber 1995 auch ein Memorial für den Westcoast-Rapper Eazy-E gemalt. So wundert es nicht, dass in den letzten Jahren eine fotografische Portrait-Reihe entstanden ist, in der sich neben unterschiedlichsten Nachtgestalten sowohl der Sängers der deutschen Punk-Legende EA80, als auch der Berliner Graffiti-King AMOK finden.
Den Begriff »Subkultur« versteht Matthias Gephart über alle vermeintlichen Unterschiede hinweg als Appell, der zur Grenzüberschreitung animiert – im Sinne einer kreativen Grundhaltung. »Wildstyle« ist einer der schönsten, mittlerweile schon altmodischen Begriffe aus der Jugendkultur der 1980er Jahre, der es aber immer noch in sich hat, versteht man ihn als Antithese zu verengtem Blickfeld und verordneten Strukturen. Es geht nicht um Ausschließlichkeit einer künstlerischen Stlistik, sondern um die Ausschließlichkeit des Prinzips von Leidenschaft und Hingabe. Das spiegelt sich so auch im Begriff Disturbanity: Was im Blickfeld des einen als optische Störung im urbanen Grau erscheint, ist dem anderen Freiheitsbegriff und Quell subversiver Freude.