#ToxicMaleNet – Erkämpf dir dein Netz zurück| Eine Kampagne von Stimmrecht gegen Unrecht
Versteckte Kameras filmen Frauen und Queers in den Duschen beim Fusionfestival, die intimen Videos landen auf Pornoseiten – so passiert im Sommer 2019. Das ist nur ein Beispiel für digitale Gewalt, die vor allem Frauen und die queere Community immer häufiger trifft. Das Kollektiv Stimmrecht gegen Unrecht hat deshalb die Kampagne #ToxicMaleNet gestartet und will das Netz zurückerobern. FluxFM-Redakteurin Lena Mempel hat mit den Initiatorinnen gesprochen:
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Bunte, provokant illustrierte Plakate überall in der Hauptstadt, darauf dick gedruckt der Satz: Digitale Gewalt ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem. Sie sind Teil der Kampagne „Toxic Male Net – erkämpf dir dein Netz zurück“ des jungen Kollektivs „Stimmrecht gegen Unrecht“. Sie soll für die vielen Facetten digitaler Gewalt sensibilisieren. Ein Phänomen für das es bisher keine einheitliche, und auch keine gesetzliche Definition gibt, sagt Mitinitiatorin Vivien Schreiber:
„Es gibt sehr sehr viele Formen, von Beleidigung und Bedrohung im Internet, dem sogenannten Hate Speech, zu digitalem Stalking oder auch dem hochladen intimer Bilder ohne Zustimmung. Der BMFN hat eine Definition erarbeitet, die auch wir in unserer Kampagne benutzt haben. Sie sagt auch aus, dass digitale Gewalt nicht getrennt von analoger Gewalt funktioniert. Das Kernproblem liegt bei den dahintersteckenden Machtstrukturen, die angegangen werden müssen.“
Konkret: Patriarchale Machtstrukturen. Denn digitale Gewalt hat eine geschlechtsspezifische Dimension. Sie richtet sich vor allem gegen Frauen, Lesben, intersexuelle und nicht binäre Menschen sowie Transpersonen. Vivien Schreiber verwendet dafür den Begriff Flint:
„Sie sind viel häufiger und intensiver betroffen, aber auch die Form ist eine ganz andere. Meistens ist es so dass sich die Hasskommentare im Netz gegen Männer sich inhaltlich gegen deren Kommentare richten. Während bei Flints das ganz anders ist. Die sind oft sexualisierten Beleidigungen ausgesetzt, bis hin zu Vergewaltigungsdrohungen.“
Menschen, die digitale Gewalt erleben, bleibt häufig wenig Spielraum um sich zu wehren. Es gibt nicht genügend Beratungsstellen, dazu sind sie unterfinanziert und haben zu wenig Personal. Rechtlich bleibt nur der Weg zur Polizei – die Anzeigen verlaufen aber oft im Sande, die Zeugenaussagen der Betroffenen werden angezweifelt:
„Bei der Polizei gibt es riesigen Verbesserungsbedarf was digitale Gewalt betrifft. Polizistinnen oder Polizisten wissen oftmals gar nicht, wie sie damit umgehen sollen, welches Dezernat dafür zuständig ist. Begriffe wie Doxing, Hate Speech sind für die meistens Fremdwörter. Und was auch absurd ist, ist dass es zum Beispiel nicht möglich ist, Links in die digitale Akte einzufügen, zur Beweissicherung.“
Das Stichwort ist Aufklärung: Unter dem Hashtag „Toxic Male Net“ kommen auf Instagram deshalb Betroffene zu Wort, werden verschiedene Formen digitaler Gewalt erklärt und Tipps zur Prävention gegeben. Das Kollektiv will die aktuelle Situation nicht passiv hinnehmen, der Forderungskatalog an die Politik ist lang.
„Was wir fordern ist zum Beispiel eine Weiterbildungspflicht im Bereich Digitales für Polizei und Staatsanwaltschaften, aber auch das spezialisierte Staatsanwaltschaften und Sonderdezernate bei der Polizei gegründet werden, damit diese wissen,was zu tun ist. Was uns auch ganz wichtig ist, dass endlich mal eine wissenschaftliche zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt gegen Flint geben muss. Weil es gibt in Deutschland bisher keine einzige Studie. Es wirkt so‘n bisschen so: Wo keine Zahlen, da auch kein Problem.“
Tatsächlich wächst das Problem täglich: Digitale Gewalt verdrängt ohnehin marginalisierte Gruppen aus dem eigentlich freien Ort Internet, erzeugt Trauma und Verletzung – auch offline.
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