Wohnwut in Berlin
Wohnwut – die kann man durchaus bekommen bei den Quadratmeterpreisen, die man inzwischen hier in Berlin so bezahlen muss. Vorbei die schönen Zeiten, als man in der Hauptstadt günstig wohnen konnte, bzw. überhaupt eine Wohnung fand. Besonders betroffen sind die Menschen, die wenig Geld und kein regelmäßiges Einkommen haben. Und das sind überwiegend junge Leute.
Das junge, hippe Berlin vernachlässigt also ausgerechnet die Leute, die dieses Stadtbild so prägen…?! Wer gibt in Berlin in Zukunft den Ton an? Anna Ellger beschäftigt sich mit einem Projekt der Jugendhilfe Berlin und mit einer entscheidenden Frage: Wem gehört denn nun Berlin? Den Investoren? Den reichen Zugezogenen, die hier günstigere Wohnungen kaufen können als in ihrer Heimat? Den Touristen? Den Künstlern? Den alteingesessenen Berlinern?
Berlin war schon immer Motor – und ein Durchlauferhitzer. Für Viele auch ein tempörarer Standort – hier Studieren oder Arbeiten, eine gute Zeit haben, und irgendwann geht’s wieder weiter. All das macht diese Stadt natürlich auch aus. Es gibt so viel Kultur hier, dass es eigentlich schon wieder zu viel ist. So viele spannende Menschen, die man gar nicht alle kennenlernen kann. Wer sich hier langweilt ist selber Schuld. Unzählige Touristen strömen jedes Jahr hier her – Berlin ist IN. Wissen wir alles, kennen wir alles.
Aber es gibt da eben auch noch das andere Berlin: HartzIV-Hauptstadt, arm aber sexy, Verharmlosung brisanter Probleme. Besonders betroffen ist die Jugend. Gerade erschien der Berliner Sozialstrukturatlas – mit einem erschreckenden Fazit: Über 29% der 18 bis 25jährigen Berliner leben in Armut. In den letzten Jahren hat sich die Chance auf einen motivierenden Start ins Erwachsenenleben prekär verkleinert. Viele junge Berliner, die nicht mit der Unterstützung ihrer Eltern rechnen können, bleiben entmutigt auf der Strecke.
Die Jugendhilfe Berlin hat junge Leute losgeschickt, Gleichaltrige zu befragen zum Thema: „Wohnen in Berlin“. Heraus kam: Wohnwut – eine Peer-to-Peer-Umfrage, die komplette Umfrage kann man sich bei Soundcloud anhören oder hier als Text ansehen.
Keine schöne Vorstellung. Besonders die jungen Berliner brauchen Freiräume, müssen sich entfalten können. Bezahlbaren Wohnraum haben. In dieser Stadt leben können – auch mit wenig Geld. Die Wohnwut-Umfrage war nur der Startschuss, das Thema wird weitergestrickt. Wie zum Beispiel beim Jugendkunstcamp Junipark im Sommer. Dort werden Jugendliche mit Künstlern zusammenarbeiten – Theater, Tanz, Musik, Performances – und genügend Zeit und Raum, Stadtutopien zu entwickeln. Sich Berlin ein Stück zurückzuerobern bzw. nicht tatenlos zuzusehen, wie andere den Ton angeben. Das ist das Signal.
Denn Berlin gehört natürlich Allen. Allen, die hier leben wollen oder müssen oder hier einfach reingeboren wurden. Entscheidend ist doch nur, dass auch wirklich Alle mit einbezogen werden.
Und wenn ihr da mitmachen wollt, dann solltet ihr euch den 22./23.3. freihalten. Am Samstag und Sonntag findet eine Planungskonferenz statt, bei der ihr nochmal alles über das Jugendkunstcamp Junipark erfahrt – und wie Ihr euch da einbringen und mitgestalten könnt. Das Ganze findet in dem JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische27 in Kreuzberg statt.