Illegale Mülldeponien in Brandenburg
Endlich ist es soweit – der Frühling vor ein paar Tagen begonnen! Und zum Frühlingsanfang, da gibt’s ja immer so schöne Spaziergänge in und um Berlin – im Grunewald, am Glienicker See oder am Havelufer. FluxFM-Reporterin Aysche Wesche hat sich eine ganz besondere Route ausgesucht: Auf einer illegalen Mülldeponie in Bernau.
Den Beitrag gibt’s hier zum Nachhören:
Die ersten Frühblüher bahnen sich ihren Weg ans Licht, die Sonne streichelt zart übers Antlitz – und sieh da, ein Reh hüpft über den Hügel… Nur, dass der Hügel ein Müllberg ist. Einmal in der Erde gestochert und es kommen Plastikfetzen zum Vorschein. Auch die braun-grünen Regenpfützen sprechen eine eindeutige Sprache: Nix mit Wasser für Bambi, erzählt Georgi Tontchev:
„Wenn es regelmäßig trinkt, dann wird es krank werden. Dass es hier Rehe und Fasane gibt inzwischen, das ist kein Hinweis dafür, dass hier alles harmlos ist, was unter diesen wachsenden Pflanzen jetzt liegt.“
Georgi Tontchev hat damals schnell gemerkt, dass bei der Müllhalde einiges nicht nach Vorschrift läuft. Seit dreizehn Jahren macht er mit Bürger für Bernau gegen die illegale Deponie mobil, mittlerweile als Stadtverordneter im Umweltausschuss. Zusammen mit ihm kraxel ich die Müllberge hoch und runter:
„Wenn man sich das anschaut, das sind mindestens 10 Meter Höhe und wir sind noch nicht ganz oben angekommen. Da sieht man die ganzen Abfälle: Bunte Kunststoffe, da sind auch Metallstücke und andere Abfallmaterialien.“
Bernau hat insgesamt drei stillgelegte illegale Deponien. Wir spazieren über die Halde der GEAB GmbH: Gesellschaft für Abfallverwertung und Bodensanierung. „Da steckt sehr viel Ironie in dieser Bezeichnung,“ meint Tontchev. er sitzt zusammen mit Thomas Dyhr von den Grünen im Umweltausschuss. Dyhr hat sich mal die Mühe gemacht und das Volumen aller Müllberge zusammen gerechnet:
„Das sind über 600.000 Kubikmeter. Das bedeutet also, sie könnten eine drei Meter bis drei Meter fünfzig hohe Mauer von einem Meter Stärke einmal rund um den Berliner Ring herum legen und dann hätten sie das Volumen, was diese Kippe da bringt.“
Der Ausschuss will Umweltmonitoring einführen um zu prüfen, ob das Grundwasser dadurch verschmutzt wird und um Daten zu sammeln. Nur dann, glauben sie, wird auch eingelenkt. Ein Stups, den die Landesregierung anscheinend braucht, so Thomas Dyhr:
„Wir sind eigentlich auch dahinter gekommen, dass hier ein System stattfand, mit dem man – wie drücke ich es vorsichtig aus – verhindert Erkenntnisse zu sammeln, die einen zwingen zu handeln.“
Kontrollen gibt es zwar, dennoch wurden die 100 Meter hohen Müllberge in Bernau anscheinend jahrelang übersehen. Michael Billig hat sich diese Zustände in ganz Brandenburg angeguckt. Rund ein halbes Jahr war der freie Journalist den Müllschiebern auf der Spur. Herausgekommen ist eine Datenbank mit über 140 illegalen Abfalldeponien in Brandenburg. Im Ländervergleich ein schlechter Schnitt:
„Es gibt überall immer wieder Probleme mit illegaler Abfallentsorgung. Hin und wieder fallen auch große Deponien auf. Aber in dem Ausmaß und auch in der Systematik, wie das in Brandenburg in den letzten ca. 20 Jahren gelaufen ist – das ist unvergleichlich.“
Selbst wenn eine dieser Halden auffliegt, ist es schwer die Betreiber dahinter zu fassen. Die scheffeln Millionen – Geld, das niemand wieder sehen wird, sagt Michael Billig:
„Das liegt oft wohl daran, dass hinter den Mülldeponien noch ein ganzes Imperium von Firmen, Transportunternehmen, Immobilienunternehmen, Vermögensverwaltung sitzen, wo das Geld halt irgendwie gewaschen wird, scheinbar. Das sind mafiöse Strukturen. Was auch auffällt ist, dass es auch oft familiäre Strukturen sind. Söhne treten die Nachfolge ihrer Väter an, Ehefrauen sind mit im Geschäft involviert.“
Kommt dann heraus, dass eine Halde den Müll nicht fachgerecht entsorgt, gibt es oft das gleiche Muster: Insolvenz anmelden und eine Geldstrafe zahlen. Es gibt Betreiber, die so immer wieder Deponien eröffnen. Und den Dreck wegräumen, das passiert dann mit Steuergeldern. Bernau würde es rund 38 Millionen Euro kosten, allein diese eine Halde zu räumen…
Michael Billig konnte seine Recherche zu den illegalen Mülldeponien in Brandenburg mit Hilfe eines Stipendiums von Correct!v und der Rudolf Augstein Stiftung durchführen. Nachlesen kann man das auf correctiv.org.
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