Schule für Erwachsenenbildung
Wenn ihr an eine Privatschule denkt, geht’s euch vielleicht wie uns. Im ersten Moment denkt man zum Beispiel sofort an diese Schulen, die man aus England kennt. Die sind meist sehr elitär, extrem teuer und versnobt. Ganz anders sieht es an einer privaten Schule aus, die sie in einem Berliner Hinterhof versteckt. Nicht die Elite, sondern das Kollektiv zählen dort. Ron Stoklas war in der Schule für Erwachsenenbildung in Kreuzberg und stellt sie euch vor:
„Unterricht auf Augenhöhe, an den besonderen Interessen eines jeden Schülers orientiert,“ so lautet das Motto der Schule für Erwachsenenbildung im Kreuzberger Mehringhof. Eine Idee, die für alle Schüler*innen, genauso wie das Lehrerpersonal und die Büroangestellten gilt. Eine davon ist Beate Ulreich. Sie ist ehemalige SFE-Schülerin und mittlerweile als Koordinatorin an der Schule tätig.
„Wir sind komplett selbstverwaltet, basisdemokratisch, und wir legen auch Wert darauf, dass wir immer noch ein solidarisches und emanzipatorisches Projekt sind. Basisdemokratie beinhaltet natürlich, dass jede*r Schüler*in und jede*r Angestellte*r eine Stimme hat und dass alle Entscheidungen auf den vierzehntägigen Vollversammlungen gemeinsam getroffen werden.“
Dabei geht’s nicht um 08/15-Themen, sondern um grundlegende Gestaltung und Struktur der Schule. Die Vollversammlung stimmt zum Beispiel über die Einstellung und Kündigung von Angestellten, die Anschaffung neuer Geräte oder Regeln im Schulalltag ab.
Mindestens genauso wichtig wie die Mitbestimmung ist für die Schüler*innen die Unterrichtsgestaltung. SFE-Schülerin Sou erzählt:
„Es ist so schön, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Ich kenne dieses strickte ‚Das ist dein Platz. Da sitzt du die nächsten vier Jahre. Da vorne sitzt der*die Lehrer*in. Nur Frontalunterricht. Du hast nicht mitzubestimmen. Du hast nur zu gehorchen.‘ Und das komplett nicht mehr erleben zu müssen ist eine wahre Wohltat. Alle, die auf diese Schule gehen, wollen zur Schule gehen. Sie wollen ihren MSA oder ihren Abiturabschluss machen.“
In ihrer Abiturklasse stehen die gleichen Themen auf dem Lehrplan wie beim klassischen Berliner Unterricht. Soll heißen: Mathe, Deutsch, Chemie – jedoch mit einem Unterschied:
„Wir können selbst als Klassen entscheiden, ob wir die Reihenfolge auch so einhalten. Und auch eine Klasse kann den Unterricht gestalten. Das macht nicht zwingend die Lehrer*innen. Sie können, aber müssen nicht.“
Nach diesem Prinzip funktioniert die SFE seit mehr als 40 Jahren. Kein*e Direktor*in, keine Noten, kein starres Lehrprinzip. Stattdessen kann man Verantwortung lernen, auch weil diese übernommen werden muss. Und das nicht nur in der Vollversammlung. Lehrende und Lernende reinigen die Toiletten, Flure und Klassenräume, im Versammlungssaal werden jeden Tag Pausenbrote geschmiert. Jede*r ist mal dran. Beate Ulreich erzählt weiter:
„Früher war das ganz extrem eine Szeneschule. Alle Linken kannten die Schule im ganzen Bundesgebiet und die kamen auch daher. Das war die Zeit als wir noch eingemauert waren. Das hat sich ein bisschen verändert seitdem. Trotzdem ist es ja so, dass der Grundgedanke bleibt.“
Und das Lehrprinzip der Kreuzberger Schule funktioniert. Die Erfolgsquote bei Schüler*innen, die ihr Abitur nachholen, liegt bei rund 70 Prozent, beim Mittleren Schulabschluss sind sogar 80 bis 90 Prozent erfolgreich. Anerkennung für das unkonventionelles Konzept gibt es auch von externer Seite: 2016 wurde die Schule für Erwachsenenbildung mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.
Wenn euch das Konzept interessiert, dann solltet ihr unbedingt Berlin Rebel High School anschauen, eine Dokumentation zur Geschichte der Schule.