Afrika Spezial | Lesen und lesen lassen
06. Juni bis 12. Juni 2016
Als kleine Rundreise durch Afrika stellen wir eine Woche lang zeitgenössische Literatur aus dem ganzen Kontinent vor. Sieben Tage lang gibt es lesenwerte Geheimtipps und bekanntere Klassiker mit Themen, die Politik, Rassismus, Heimatlosigkeit, Freundschaft und Coming-of-Age nicht nur streifen, sondern auf eine einmalige Art und Weise behandeln, wie es wohl nur AutorInnen aus afrikanischen Ländern können.
Am 9. Juni findet übrigens der Literaturkongress Deutsche Afrika Stiftung unter dem Titel We need new Stories: DAS Literatur Quartett im Theater im Aufbau Haus statt. Dazu waren die beiden Autoren Elnathan John und Musa Okwonga, der außerdem einer der OrganisatorInnen der Veranstaltung ist, am 7. Juni zu Gast in der Morningshow.
Das Gespräch könnt ihr hier nachhören:
Chimamanda Ngozi Adichie – Americanah
Ifemelu und Obinze verlieben sich im Nigeria der neunziger Jahre. Dann trennen sich ihre Wege: Die selbstbewusste Ifemelu studiert in Princeton, Obinze strandet als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren stehen sie plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Ein moderner und hochpolitischer Roman über Identität und Rassismus in unserer globalen Welt.
Fazit von Jörg Petzold:
„Americanah war der Welterfolg einer afrikanischen Autorin der letzten Jahre – und das zu Recht! Es ist eine große Liebesgeschichte, aber gleichzeitig wahnsinnig klug beobachtet, brillant geschrieben, humorvoll und von unglaublicher politischer Schärfe und Präzision. Es geht sehr viel um das Thema Diskriminierung und um die ungleichen Möglichkeiten und Wahrnehmungen, und es macht so eine Freude, dieses Buch zu lesen, man will es gar nicht mehr aus der Hand legen.“
Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie ist erschienen bei S.Fischer.
Johannes Anyuru – Ein Sturm wehte vom Paradiese her
Ein junger Mann wird in einem unterirdischen Raum irgendwo in Ostafrika vernommen. Noch vor kurzem sollte er Kampfpilot in der ugandischen Luftwaffe werden. Doch dann kommt es in Uganda zum Staatstreich. Idi Amin ergreift die Macht. Sein Regime wird zu einem der blutigsten des afrikanischen Kontinents werden. Der junge Mann beschließt, nicht zurück zu kehren ins mörderische Uganda.
Fazit von Jörg Petzold:
„Dies ist eines der wenigen Bücher afrikanischer Autor/-innen, das nicht aus dem Englischen oder Französischen übersetzt wurden, sondern aus dem Schwedischen. Deswegen hat es auch weniger Aufmerksamkeit bekommen als seine französischen und englischen Brüder und Schwestern. Es geht um das große Thema der Heimatlosigkeit – und das ist sehr bewegend, sehr poetisch, aber auch brutal und verstörend. Es hilft nachzuvollziehen, was manche Menschen, vor allem Flüchtlinge, wirklich erlebt und durchgemacht haben.“
Ein Sturm wehte vom Paradiese her von Johannes Anyuru ist erschienen bei Luchterhand.
Alain Mabanckou – Morgen werde ich zwanzig
Ende der 70er Jahre – der Kongo hat längst seine Unabhängigkeit erlangt, und der zehnjährige Michel strebt danach, es seinem Heimatland gleichzutun. Das ist nicht leicht: Seine zwölfjährige Freundin Caroline verlangt mehr Aufmerksamkeit. Sein Onkel René, selbst ernannter kapitalistischer Kommunist, kommt zwar für Michels Schuldbildung auf, schielt aber unverhohlen auf das Erbe der verstorbenen Großmutter. Und ein Schamane hat Michels Mutter eingeredet, dass sie keine weiteren Kinder bekommen könne, weil ihr Sohn den Schlüssel zu ihrem Bauch versteckt habe…
Fazit von Jörg Petzold:
„Eine Kinderstimme erzählt über Leben in der Republik Kongo – über die eigene Entwicklung und die Entwicklung des Landes. Sie philosophiert und erzählt Geschichten – das ist so lustig und traurig, komisch und ernst zugleich, dass das Lesen großen, großen Spaß macht.“
Morgen werde ich zwanzig von Alain Mabanckou ist erschienen beim Liebeskind Verlag.
Mukoma wa Ngugi – Black Star Nairobi
In einem von einflussreichen Kenianern und reichen Ausländern bewohnten Hotel in Nairobi explodiert 2007, mitten im Wahlkampf eine Bombe. Die CIA vermutet al Quaida oder somalische Islamisten hinter dem Anschlag. Die beiden Detektive Ishmael und O stoßen bei ihren Nachforschungen allerdings auf eine international operierende Geheimorganisation.
Fazit von Jörg Petzold:
„Jetzt wird das Wetter schöner, da brauchen wir was Spannendes, um euch am Lesen zu halten. Das haben wir hier mit Black Star Nairobi – und ich kann nur sagen: dieser Teil ist wieder genau so großartig, wie der erste. Packend geschrieben, politisch brisant und wirklich aufwühlend.“
Black Star Nairobi von Mukoma wa Ngugi ist erschienen bei Transit.
Dinaw Mengestu – Unsere Namen
Es ist ein unaufgeregtes Leben, das die Sozialarbeiterin Helen in ihrer Heimatstadt im Mittleren Westen führt. Als sie die Gelegenheit bekommt, sich um Isaac zu kümmern, sagt sie sofort zu. Etwas Geheimnisvolles geht von dem Afrikaner aus. Mit schonungsloser Schärfe und Präzision werden Unterschiede und Parallelen der westlichen und der afrikanischen Identität aufgezeigt…
Fazit von Jörg Petzold:
„Unsere Namen ist ein fantastisches Buch! Sehr einfühlsam geschrieben, gleichzeitig hat es auch sehr harte, brutale Stellen, spannend vom ersten Augenblick bis zum Schluss. Und wie dann bei allen bekannten Unterschieden zwischen Afrika und den USA plötzlich auch ganz viele Parallelen aufscheinen, hat mich absolut überrascht – und doch gleichzeitig überzeugt.
Unsere Namen von Dinaw Mengestu ist erschienen bei Kein & Aber.
NoViolet Bulawayo – Wir brauchen neue Namen
Die zehnjährige Darling lebt im Chaos einer Blechhüttensiedlung. Paradise heißt ihr Zuhause, und fast alles fehlt: der Vater, die Schule, der Fernseher oder auch nur genug zu essen. Für alle anderen ist Paradise ein Scherbenhaufen aus zerbrochenen Träumen, für Darling der einzige Ort, der ihr ans Herz gewachsen ist. Gerade als Darling zu verstehen beginnt, wird sie von ihrer Tante in den USA fortgerissen. Üppiges Essen, der Fernseher, die Schule – das alles ist bald selbstverständlich, nur steht sie im neuen Paradies bald vor ihrer größten Aufgabe…
Fazit von Jörg Petzold:
„Das ist das, was man einen Coming-of-Age-Roman nennt. Zuerst ist er aus Kinderperspektive in Afrika und später aus jugendlicher Perspektive in den USA erzählt. Eine große Rolle für die Identität der Jugendlichen und Kinder spielt die Sprache. Und geschrieben ist das alles sehr poetisch, sehr spielerisch. Das nimmt einen sehr mit und ist gleichzeitig eine große Freude.“
Wir brauche neue Namen von NoViolet Bulawayo ist erschienen bei Suhrkamp.
Teju Cole – Open City
Julius, ein junger Psychiater, durchstreift die Straßen Manhattans, allein und ohne Ziel, stundenlang. Mit jeder Begegnung, jeder neuen Entdeckung gerät Julius tiefer hinein in die verborgene Gegenwart New Yorks – und schließlich in seine eigene, ihm fremd gewordene Vergangenheit in Nigeria.
Fazit von Jörg Petzold:
„Ein Wahnsinnsbuch! Am Anfang hatte ich ein paar Problemchen, mir war es zu sperrig, zu intellektuell, was aber mit der Übersetzung zu tun haben könnte. Aber je mehr ich mich auf diesen Ton, auf die Gedanken, auf die Einsamkeit, auf diesen stream of consciousness eingelassen habe, desto mehr hat es mich in seinen Bann gezogen. Außerdem nimmt es gegen Ende eine Wendung, mit der ich nie gerechnet hätte. Ein wahnsinnig ehrliches Buch, sehr genau, sehr fein, sehr anspruchsvoll!
Open City von Teju Cole ist erschienen bei Suhrkamp.
Hörproben sind aus rechtlichen Gründen nur 7 Tage zum Nachhören verfügbar.
Übrigens: Hier findet ihr alle Buch-Empfehlungen, hier die Mitschnitte unserer 3-Minuten-Lesung.
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