Syrien in Berlin | Listomania
Sie mag Musik, spielt gerne Theater und hat einen Bachelorabschluss in arabischer Literatur. Hiba Obaid kommt aus Syrien, genauer: aus Aleppo. Sie sitzt seit einigen Wochen bei uns, bei FluxFM. Im Rahmen eines Integrationsvolontariats der mabb, das sie bei ALEX Berlin absolviert, schnuppert sie eben auch bei uns rein. Und klar: Wir stellen ihr immer viele Fragen, beispielsweise auch, ob es etwas in Berlin gibt, wovon sie zutiefst irritiert ist. Oder ob sie das deutsche Fernsehen mag. Oder ob es Dinge und Orte hier in Berlin gibt, die sie an Syrien bzw. an Aleppo erinnern. Davon gibt’s übrigens eine ganze Menge. Hiba Obaid über Dinge und Orte in Berlin, die sie an Aleppo und Syrien erinnern:
Ich wohne seit zwei Jahren in Berlin. Ich kann nicht sagen, dass ich jetzt eine Berlinerin bin, aber ich fühle mich wohl. Ich habe viele schöne Dinge in Berlin entdeckt – einige von ihnen erinnern mich an meine Heimat.
Hier könnt ihr den Beitrag in voller Länge hören:
1. Geschichte und Krieg
Berlins Geschichte erinnert mich an Aleppo.
Die meisten Menschen wissen nicht, dass die Stadt Aleppo nach dem Krieg geteilt wurde. Es gibt keine Mauer und auch keinen Zaun – aber wer versucht von Osten nach Westen zu gehen, stirbt. Deshalb nennen die Menschen in Aleppo diesen Ort die Todesgrenze. Berlins Geschichte erinnert mich an Aleppo. Wenn ich die Reste der Mauer neben dem Fluss sehe oder wenn ich nach einer regnerischen Nacht die Straße rieche, erinnere ich mich an Aleppo und ich frage mich: gibt es eine Chance, dass Aleppo eine Zukunft ohne Krieg, Mauer und Tod haben kann? So wie Berlin es geschafft hat – einfach schön und stark!
Hermannplatz oder die Arabische Straße
Der Markt am Hermannplatz
Wenn ich das Essen aus meiner Heimat vermisse, gehe ich zum Hermannplatz. Hier finde ich alles: Schawarma, Falafel, und sogar Kunafe, eine arabische Süßigkeit! OMG! Als ich hier das erste mal Kunafe in einer arabischen Bäckerei gegessen habe, fühlte ich mich nicht mehr so als sei ich in Berlin – ich war in Syrien. Oder wenn ich das ganze bunte Gemüse und Obst auf dem Markt am Hermanplatz sehe, dann denke ich an Aleppo zurück als ich 5 Jahre alt war und mit meiner Oma einkaufen gegangen bin. Der Markt war in einer alten Straße in Aleppo, alles war frisch – und natürlich bio.
3. Arabische Musik
Ein großer Schritt für dich und den Rest interessiert es nicht.
Ein mal, als ich in der U-Bahn war und gerade nach draußen gehen wollte, habe ich Musik gehört, die ich kannte. Ich bin ihr gefolgt und habe eine arabische Bäckerei gefunden. So laute arabische Musik, die man in der ganzen Station hören konnte – das war für mich eine Überraschung. Ich dachte also sowas! Das war unglaublich schön, wie meine Heimat.
4. Berliner Sommerabende
Yoga für 20 Euro im Jahr – Hochschulsport ist günstiger als eine Woche Mensaessen
Wenn ich am Abend spazieren gehe erinnert mich viel an meine Heimat vor dem Krieg. Menschen, die laut lachen oder Musik auf der Straße machen, die frische Luft und der Sommergeruch. Das gibt mir das Gefühl, dass ich sicher, dass ich „safe“ bin – und glücklich. Mein Highlight war ein Tag, an dem ich spät nach Hause gegangen bin, durch die Straßen spaziert bin und dieses orange Licht der Straßenlaternen gesehen habe. Genau wie Aleppo … aber in Aleppo wurde Abends viel mehr geraucht. :)
5. Deutsche Reinlichkeit
Rhetorische Fragen sind soooo sexy!
Als ich in Aleppo war, hatte ich in meinem Kopf ein Bild von Berlin. Eine europäische Großstadt, so sauber und perfekt! Wenn ich jetzt durch Kreuzberg laufe – niemals sehe ich die Stadt aus meinem Kopf! Alte Matratzen, kaputte Stühle und Müll liegen auf den Straßen. Aber, ich liebe Berlin – egal ob sauber oder nicht! Sogar, wenn die U-Bahn Stationen nach Urin riechen, liebe ich diese Stadt. Berlin ist jetzt ist meine Heimat.