Dating in Coronazeiten
Tinder, Bumble, Okcupid. An Datingapps- und Plattformen mangelt es nicht! Nur macht es die aktuelle Situation unmöglich, sich mal eben auf nen Bierchen in einer Bar oder zum Dinner im Restaurant zu treffen. Die Aufklärungsinitiative Liebesleben rät deshalb zu Webcam-Treffen. Johanna Degen forscht zum Thema Onlinedating und wie sich das Liebesleben durch Corona verändert hat.
Wie Corona auch die Datingwelt beeinflusst und wen man online alles antrifft, erzählen euch die FluxFM Redakteurinnen Yola Jordans und Filli Montag.
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Johanna Degen ist Psychologin an der Europauniversität Flensburg und forscht zur Selbstdarstellung auf Datingplattformen. Im März hat sie eine Studie gestartet, um das Nutzer*innenverhalten während der Pandemie, insbesondere auf Tinder, zu untersuchen. Monatlich werden rund 600 Profile ausgewertet, Interviews geführt und Umfragen gemacht. Fünf Dating-Typen hat sie herausgearbeitet, die zur Zeit vermehrt bei Tinder anzutreffen sind. Der Reflexive-Typ ist einer davon, erzählt Johanna Degen:
„Das ist derjenige, der jetzt sein Beziehungsverhalten überdenkt. Zum Beispiel sagt: Ich war vielleicht zu oberflächlich unterwegs und jetzt beneide ich die, die eine Beziehung haben und die zu zweit durch die Pandemie gehen, die jetzt noch Körperlichkeit ausleben können. Und die dann zum Beispiel Re-Navigieren würd ich sagen. Die suchen jetzt zum Beispiel einen festen Partner und wollen ihre Strategie ändern, den gibt es natürlich auch andersherum: man ist in ner Beziehung und denkt wenn das mein letztes Stündlein ist, dann nicht mit dieser Person. Die wollen Single werden. Also das sind die, die sozusagen ihre Lebensumstände ändern.“
Der so genannten gelangweilte Typ sitzt zu Hause rum, checkt Profile ab und vertreibt sich so die Zeit. Der pragmatische Typ bereitet sich schon jetzt auf die „Nach Corona Phase“ vor und macht potenzielle Datingpartner*innen klar. Dann gibt es noch den ängstlichen Typ, der versucht, mit Einsamkeitsgefühlen durch Tinder besser klarzukommen. Einen besonderen Kick braucht der Risikobehaftete. Menschen, die in diese Kategorie fallen, wollen herausfinden, wen sie trotz Pandemie alles rumkriegen.
Erste Forschungsergebnisse zeigen auch: mehr Leute sind auf Tinder aktiv, es wird mehr Zeit online verbracht und viele, die schon einmal ein Profil hatten, melden sich jetzt wieder an.
Johanna Degen:
„Tinder ist mehr als ne Datingapp, oder ne Hockup-App oder eine Beziehungsfindungs- App und auch die anderen Datingplattformen. Da lagern sich Prozesse des Selbst aus. Und das Selbst positioniert sich im sozialen Raum auch durch soziales Feedback. Und wenn das jetzt fehlt, weil man im Homeoffice ist, weil man nicht ins Fitnessstudio geht, weil man nicht ausgeht. Dann versucht man sozusagen die App dazu zu benutzen sich Feedback zu holen.“
Ängste und Einsamkeit werden kompensiert und Sicherheit durch Ablenkung gesucht. Die App wird auch als Bewältigungsstrategie genutzt, um einen Ausweg aus der aktuellen Beziehung zu finden und neue Kontakte zu knüpfen. Manche setzen sich in der aktuellen Situation intensiver mit sich selbst auseinander oder hinterfragen ihre Beziehungsmuster. Mehrere Menschen zu daten, ist momentan nicht drin. Das führt in einigen Fällen dazu, dass Leute, die sonst eher kurzfristige Affären suchen, bereit sind, auch mal längere Partnerschaften einzugehen. Alte Muster werden teilweise über Bord geworfen.
Johanna Degen:
„Da entsteht natürlich eine neue Intimität, die lernen sich dann besser kennen, weil man sozusagen kein Exit hat.“
Die Studie von Johanna Degen läuft noch und es kommen jeden Monat ca. 600 Profile zur Auswertung dazu. Den Link zu den aktuellen Publikationen und der Möglichkeit selber an der Studie teilzunehmen findet ihr auf https://dilemma-praxis.de/.