Diese Woche stellt Jörg Petzold nicht ein, sondern gleich sechs Bücher vor: in einem Georgien-Spezial (Foto: Ann-Kathrin Canjé)

Georgien-Spezial | Lesen und lesen lassen

▷ Letzte Änderung: 2018-10-15
By Constanze [FluxFM] |
Im Radio:
15. Oktober bis 21. Oktober 2018

In einem einwöchigen Georgien-Spezial stellt Buchexperte Jörg Petzold Werke vor, deren Autor*innen aus Georgien kommen. Werke, die die Geschichte und Gegenwart der Landes auf wundervolle, spannende, traurige oder aber witzige Weise umschreibt.


Aka Morchiladze – Der Filmvorführer

Zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, geben sich Halt in einer Welt voller Umbrüche und Veränderungen. Der naive, gutherzige Beso wird nach Afghanistan entsandt. Er überlebt die Gräuel des Krieges nur Dank eines kleinen Zettels, den ihm sein deutlich älterer Freund Islam mitgegeben hat.

Fazit von Jörg Petzold:
„Aka Morchiladze hab ich erst im Zuge meiner Recherchen für dieses Georgien-Spezial entdeckt und er hat sofort einen Platz in meinem Bücherregal erobert! Bei ihm kann man ganz leicht eintauchen in die georgischen Geschichten und Verwerfungen der letzten drei Jahrzehnte. So lakonisch wie er zum Beispiel in diesem Buch die Afghanistankrieg-Episode des Ich-Erzählers serviert, entfaltet sie – trotz aller Kürze – eine wahnsinnige Wucht. Ganz nebenbei ist er ein großer Stilist und sein Humor zieht mich absolut in den Bann seiner Bücher.“

Der Filmvorführer von Aka Morchiladze ist erschienen im Weidle Verlag.


Tschabua Amiredschibi – Data Tutaschchia. Der edle Räuber vom Kaukasus

Gesetzloser und Nationalheld in einem. Data Tutaschchia geht 1885 in den Untergrund, am Vorabend der Oktoberrevolution, die seinem Land die Unabhängigkeit bringen wird. Doch statt Politik geht es ihm um die Käuflichkeit der Menschen, an der er zu zerbrechen droht.

Fazit von Jörg Petzold:
„Dieser historische, philosophische, politische, satirische Kriminalroman gilt als einer der wichtigsten der georgischen Gegenwartsliteratur, wurde verfilmt, als Comic herausgebracht. Bezeichnet wurde er als Don Quijote im Stil Dostojewskis. Erzählt aus zwei Perspektiven, ist er ein großes Epos, absolut lesenswert! Etwas für literarische Feinschmecker.“


Naira Gelaschwili – Ich fahre nach Madrid

Es ist die Geschichte eines Tagträumers, der nicht aufwachen will. Sandro behauptet, er starte eine Reise zu den Metropolen der Welt. In Wirklichkeit sucht er sich einen Ort, an dem er dem Alltag entfliehen kann – bis ihn die Realität schlagartig einholt.

Fazit von Jörg Petzold:
„“Ich fahre nach Madrid“ ist eine Redewendung, die eine wie auch immer geartete Flucht umschreibt. Obwohl das Buch in den sozialistischen 80ern geschrieben ist und deshalb auch teilweise nur verklausuliert den georgischen Alltag beschreibt, ist das Buch hochaktuell! Wer hat nicht hin und wieder die Nase voll von allem und denkt darüber nach zu verschwinden? Da die sozialistische Geschichte in Georgien noch präsent ist, kann man hier zugleich diese besondere Zeit nachempfinden. Ein feines kleines Stück georgische Literatur.“


Otar Tschiladse – Der Korb

Assoziationen, Visionen und Zeitensprünge: Der Korb ist ein Epos über Georgien unter russischer Herrschaft und zugleich die furiose Chronik einer machtversessenen Familiendynastie. Von der Gewalttat eines einfachen Hirten bis zum Stammvater gleichen Blutes, der mehrere Generationen hindurch die Geschicke des Landes bestimmt.

Fazit von Jörg Petzold:
„Otar Tschiladse wagt hier den ganz großen Bogen. Er betrachtet die Entwicklung des eigensinnigen, georgischen Volkes seit dem Verlust ihrer Unabhängigkeit durch die Jahrhunderte der wechselnden Fremdherrschaft. Das ist gewaltig, von großer sprachlicher Kraft und großem Reichtum geprägt. Wer richtig forschen will in den Tiefen der Geschichte (nicht nur der georgischen Kultur) und Menschlichkeit, der findet hier reichlich Stoff, guten, inspirierenden Stoff!“


Zurab Karumidze – Dagny oder ein Fest der Liebe

Es endet 1901 mit einem Mord in Tiflis. Dort wird die norwegische Schriftstellerin Dagny Juel von ihrem Geliebten in einem Hotelzimmer erschossen. Pianistin, Dichterin, Muse und Femme Fatal – der Roman zeichnet das turbulentes Leben der realen Person Juel nach und schafft es auf phantastische Weise die Kunst der Moderne, den Zauber der Liebe, Georgiens Geschichte und Mythen miteinander zu verflechten.

Fazit von Jörg Petzold:
„Hochintellektuell und rotzig. So würde ich dieses Buch beschreiben. Und das ist für mich eine betörende Mischung! Der Autor selbst scheint auch ein sehr interessanter Zeitgenosse zu sein. Schriftsteller, Jazz-Kenner und Regierungsberater. Er erzählt also von Georgien und der Welt anhand dieser mysteriösen Norwegerin. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern eine Gedankenweide. Was für eine Fabulierlaune, was für eine Tiefe. Welche Freude!“

Dagny oder ein Fest der Liebe von Zurab Karumidze ist im Weidle Verlag erschienen.


Aka Morchiladze – Reise nach Karabach

Tiflis Anfang der 90er: der Präsident ist geflohen, es herrscht Anarchie und Paramilitärs sind auf den Straßen. Der junge Kleinganove Gio und sein Freund wollen das Chaos nutzen, um Drogen aus Aserbaidschan zu schmuggeln. Was sie dabei vergessen haben: dort herrscht Bürgerkrieg. Ein wilder Road Trip beginnt. Als Schüsse auf sie fallen nimmt der eine unerwartete Wendung.

Fazit von Jörg Petzold:
„Ein Roadtrip. Und was für einer! Klingt ein bisschen wie Hunter S. Thompsons „Fear and Loathing in Las Vegas“ gemischt mit „Mordor kommt und frißt uns auf“ – meinem Lieblings-Osteuropa-Trip-Buch von Ziemowit Szczerek! Ich hatte vor drei Jahren das Vergnügen, georgische Männer und natürlich georgische Verhältnisse kennen zu lernen und dieses Buch bildet meine Erfahrungen und natürlich vieles darüber hinaus traumhaft ab! Lustig, hart, schräg, einfach ein absoluter Knaller! Einer meiner Favoriten diese Woche.“

Reise nach Karabach von Aka Morchiladze ist erschienen im Langplayer Verlag.

 

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