Portals | Schiffscontainer als Pforte in einen anderen Teil der Welt
Von Kabul bis Washington DC – es gibt sie auf der ganzen Welt: Portals, zu deutsch Portale. Von außen gleichen die Portals einem ganz gewöhnlichen Schiffscontainer. Von innen, der Technik sei Dank, wird der 15 Quadratmeter große Raum mit Leinwand und Kamera zur Pforte in einen anderen Teil der Welt, mit dessen Bewohnern man dann Kontakt aufnehmen kann. Unsere FluxFM-Redakteurin Jasmin Kröger war im ersten Portal-Container in Deutschland – und ist dort auf eine Gruppe Musiker aus dem nordirakischen Erbil getroffen.
Wenn ihr auch mal in einem Portal videotelefonieren wollt, ist das ganz einfach: Ihr geht einfach auf sharedstudios.com. Dort könnt ihr den Zeitplan für alle Container weltweit checken: Für wann welche Verbindungen geplant sind. Und ihr könnt dann dort sogar Präferenzen eingeben. Zum Beispiel: Ich würde besonders gern mit einem Künstler sprechen. Die jeweiligen Kuratoren versuchen das dann zu koordinieren. Oder ihr habt vielleicht selbst eine Idee, wo ein Portal eurer Meinung nach stehen sollte – auch dann findet ihr die Kontaktdaten auf sharedstudios.com.
Vier Jungs, sie tragen Adiletten oder Sneakers, blicken nur selten direkt in die Kamera und reichen ihr Saiteninstrument, die Oud, der Reihe nach herum. Sie sind jung, knapp 20, mussten das IS-besetze Mossul verlassen und befinden sich in einem Geflüchtetencamp in Erbil im Nordirak. Ich sehe sie lebensgroß vor mir – auf einer Videoleinwand. Es ist fast, als würden wir uns gegenüberstehen. Sie sind in einem Schiffscontainer, ganz wie ich. Nur, dass meiner nicht im Irak steht, sondern auf einem Berliner Hinterhof, nahe des Spreeufers.
Eine anwesende Dolmetscherin übersetzt meine Fragen ins Arabische. Seid ihr in Sicherheit, will ich wissen. Ja, sagen sie, dort wo sie sind schon, aber außerhalb nicht. Macht ihr öfter zusammen Musik? Ja, sie geben regelmäßig Konzerte im Camp.
Der Kurator des Berliner Containers Omid Habibi sagt:
Die meisten Probleme, die es gibt, passieren doch, weil die Menschen nicht genug miteinander reden – und das weltweit.
Mittlerweile gibt es unzählige Stationen weltweit: Kuba, Südkorea, Myanmar, Jordanien, Großbritannien oder Ruanda. 2012 wurde das globale Kunstprojekt von dem New Yorker Amid Bakshi ins Leben gerufen. Bei seinen Reisen fiel ihm immer wieder auf, wie falsch Orte in den Medien rüberkommen. Omid erzählt:
Fertig ist Portals. Omid stößt auf das Projekt, als er noch in Afghanistan lebt, und ist so begeistert, dass er dem Initiator eine Mail schreibt. Am liebsten will er ein Portal Container auf den Campus seiner Universität in Herat haben:Aber wenn du mit einer Person, einem Ortsansässigem redest, bekommst du oft einen ganz anderen Eindruck. Du erfährst die Kultur, die Leute, den Spaß. Also schuf Amir einen Ort, an dem man physisch reingehen und sich virtuell connecten kann – zu einem anderen Teil der Welt.
Denn niemand kennt Afghanistan wirklich. Wer wir sind, was wir machen, welche Sprachen wir sprechen. Gibt’s da überhaupt Unis, Inkubator-Projekte, StartUps – das weiß halt niemand. Die Leute denken gleich an Taliban, Mord und Totschlag, Bombenanschläge.
Mit diesen Vorurteilen will Omid aufräumen. Binnen wenigen Stunden schreibt Amar zurück. Antwort: Volle Kraft voraus für das Portal in Herat.
Und ich dachte, die reden nur, und ich hätte nie gedacht, dass es so schnell geht. Am nächsten Tag, ich war zuhause, schlief gerade, da bekam ich die Nachricht: Hallo Omid, dein Container ist heute an deiner Uni angekommen. Komm vorbei, mal ihn an und fang an, die Technik zu installieren. Und ich war einfach so: Whaaat?! Aber sie haben die Idee geliebt!
Jeder Portal-Container wird gold angemalt. Weil das, was darin passiert, so wertvoll ist, so Omid. Normalerweise sind es 1:1-Gespräche, 15 Minuten lang, falls notwendig mit Dolmetscher. Nichts wird aufgezeichnet. Es ergeben sich mit der Zeit aber auch andere Projekte: Poetry- und Storytelling-Events, ein Pitch von Kabuler Entrepreneuren nach Silicon Valley oder Geschichtsunterricht von Afghanistan direkt in die USA:
Omid macht momentan seinen Master in Computer Engeneering in Berlin, er hat über Portals weltweit Freundschaften geschlossen. Das Organisieren des Zeitplans für den Berliner Container ist neben dem Studium ein Vollzeitjob – alleine wegen der Zeitverschiebungen. Zwischen Irak und Deutschland ist die Differenz gering – in Erbil ist es bloß zwei Stunden später als in Berlin.Zum Beispiel gab es einen alten Kommandeur aus dem kalten Krieg, der den Studierenden in Washington DC erzählte, was ihm damals in Afghanistan passierte.
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