Ansicht der Ausstellung „Superposition“ der Künstlerin Caroline Kryzecki bei SEXAUER, Berlin, 2014 Foto © Marcus Schneider

Radio Arty: Caroline Kryzecki & Fabian Knecht

▷ Letzte Änderung: 2014-12-04
By Sophie [FluxFM] |
Im Radio:
4. Dezember 2014, 19 Uhr
8. Dezember 2014, 24 Uhr

Diese Woche sind Caroline Kryzecki und Fabian Knecht Gäste bei Radio Arty und berichten jeweils über ihre Freitag eröffnenden Ausstellungen.

Caroline Kryzecki – Superposition

IT’S ONLY BALLPEN ON PAPER – Die monumentalen Moirés von Caroline Kryzecki
Die Moiré-Zeichnungen von Caroline Kryzecki lassen Linien vor den Augen des Betrachters flimmern und kreieren die Illusion von räumlicher Tiefe. Der Berliner Künstlerin geht es jedoch nicht um die Augentäuschung, sondern um die geometrische Konstruktion und die Schaffung eines seriellen Systems, dessen Werke als einzelne Ausprägungen zu verstehen sind. In der am 5. Dezember 2014 in der SEXAUER Gallery in Berlin eröffnenden Einzelausstellung „Superposition“ der Künstlerin Caroline Kryzecki wird erstmals die umfangreiche Serie „KSZ 100/70“ (2014) zu sehen sein. Sie besteht aus 30 hochformatigen Kugelschreiber-Zeichnungen in der Größe von je 100×70 cm. Caroline Kryzecki konstruiert auf jedem Blatt zwei, im flachen Winkel gegeneinander abgesetzte Linienraster aus je einer Farbe. Es handelt sich dabei um mit dem Lineal gezogene, parallele Linien, die jeweils nur wenige Millimeter auseinander liegen. Die Anzahl der Werke ergibt sich aus den 10 möglichen, je dreimal angewendeten, Zweier-Farbkombinationen der vier marktüblichen Kugelschreiberfarben schwarz, blau, rot und grün. Auf diese Weise entstehen Moiré-Zeichnungen in den Kombinationen blau-rot, blau-grün, blau-schwarz, blau-blau, usw. In ihren großformatigen Zeichnungen verdichtet und variiert Caroline Kryzecki die Systematik auf einem monumentalen Format von 200 × 140 cm, auch hier betragen die Linienabstände nur wenige Millimeter. Caroline Kryzecki arbeitet ein selbst entwickeltes System akribisch ab. Sie legt Rahmenbedingungen für die Entstehung ihrer Bilder im Vorfeld fest und überlässt das endgültige Erscheinungsbild des Werkes dem Arbeitsprozess selbst. Somit erdenkt sie sich nicht die finale visuelle Ausprägung des Bildes, sondern seine Konstruktionsweise. Die Methode ähnelt computerbasierten Algorithmen, die vordefinierte Handlungsanweisungen abarbeiten und dabei selbstständig ein Ergebnis kreieren. Da Caroline Kryzecki den Prozess manuell ausführt, schleichen sich Fehler bzw. Abweichungen von den anfangs festgelegten Parametern ein, die die Künstlerin zu Anpassungen während des Arbeitsprozesses zwingen. Damit verweist ihr Vorgehen auf natürliche Prozesse eines selbst-organisierenden Systems. Strukturelle Ordnungen entstehen hier aufgrund einer bestimmten Ausgangssituation. Sie reagieren auf Veränderungen im Entstehungsprozess und passen somit ihre Struktur gemäß auftretender Umwelteinflüsse an. Hierin liegt eine entscheidende Qualität der Arbeiten von Caroline Kryzecki, da dieser Vorgang den natürlichen menschlichen Lebensprozess reflektiert. Vorhaben eines Individuums sind stets abhängig von seiner Umwelt, die ebenfalls einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt. Wandel ist systemimmanent. Caroline Kryzeckis Arbeiten zeigen das große Potenzial eines manuellen geometrischen Konstruktionsprozesses auf, dessen Ergebnis Spannung und Ausdrucksstärke entfaltet, die bei einem am Computer fehlerlos generierten Moiré Raster nicht entstanden wäre. (Text: Tina Sauerländer)

Caroline Kryzecki – Superposition
5.12.2014 – 17.1.2015

SEXAUER Gallery
Streustraße 90
13086 Berlin

Eröffnung 5. Dezember 2014, 18 bis 21 Uhr


Fabian Knecht- FREISETZUNG

Fabian Knecht ist im Jahr 1980 in Magdeburg geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Knecht hat an der Universität der Künste, Berlin, am California Institute of the Arts und an der Ale School of Fine Arts, Addis Abeba (Äthiopien), studiert. 2012 war er Mitarbeiter im Studio von Matthew Barney. Ab 2009 studierte er unter Prof. Olafur Eliasson am „Institut für Raumexperimente“, Berlin.

Die Interventionen und Aktionen von Fabian Knecht bespielen die Grenze zwischen Alltag und Ausnahmezustand. Sie verdanken ihre Kraft einer Mischung aus Rohheit und poetischer Dichte, dem Pendeln zwischen aggressiver Bestimmtheit und melancholischer Tiefe. Sie geben dem Alltag die Ambivalenz, die alle Dinge umgibt, zurück und fragen nach den toten Winkeln und blinden Flecken der Normalität. Knecht hofft, dass Kunst ein Mittel darstellt, Macht und Authorität zu brechen, dass Kunst auch außerhalb von konventionellen Wegen gehen kann.

FREISETZUNG von Fabian Knecht
Vom Dach der Neuen Nationalgalerie in Berlin schraubte sich am 1. November 2014 für ca. 1 Stunde eine weiße Rauchsäule in den Himmel. Das sich auftürmende Wolkengebilde verteilte sich als diffuser Nebel in unmittelbarer Nähe des Gebäudes und zog bis über den benachbarten Tiergarten. Aus der Distanz erschien es fast greifbar, in direkter Reichweite dagegen transparent, fließend und ephemer, wodurch es in einen spannungsvollen Kontrast mit der Statuarik und formalen Klarheit der Architektur Mies van der Rohes trat. Mit seiner Intervention FREISETZUNG nähert sich Fabian Knecht dieser Ikone der klassischen Moderne in einer kritischen Auseinandersetzung. Sein künstlerischer Angriff agiert im Sinne einer temporären Veränderung der Erscheinungsweise dieses heroischen, funktional betrachtet ungewöhnlichen Kunsttempels, der angesichts seiner baulichen Struktur im Erdgeschoss allseits Durchblicke auf die Stadtkulisse zulässt, während nur die untere Ebene klassische Raumkompartimente aufweist.
FREISETZUNG nutzt das Museum weniger als (schützendes) Gehäuse, denn als Podest, Sprungbrett, Plattform bzw. Sockel für diese flüchtige, zeitbasierte, in seiner räumlichen Erstreckung unkontrollierbaren Rauchskulptur. Immaterialität wird zum Objekt, das in Ausrichtung und Farbigkeit auf die jeweilige Witterung, d.h. auf Windgeschwindigkeit, Temperatur und Luftfeuchtigkeit reagiert.
Seit jeher fungieren Rauchzeichen als Übermittler von Botschaften. Welche Nachricht überbringt nun FREISETZUNG?
„Vielleicht ist es eine Art monumentales Anti-Monument-Monument für die schrumpfende kulturelle Restfläche in der Kunst – für einen Raum, der sich in Dampf aufzulösen scheint, angesichts des Rucks zum „Rechten“, das nur das Nützliche wertschätzt und dem berauschenden Exzess der Metaphorik, der doch der wahre Ort der Kunst ist, sein Daseinsrecht versagt.

Dieser Kommentar von Robert Morris über seine eigene, 1967 konzipierte Wasserdampfsäule Steam markiert den Beginn einer neuen, a-statuarischen, dynamisch-beweglichen, polysensuellen Form des Plastischen und fungiert für die hier skizzierte Arbeit Knechts als Referenz. Sein Portrait des Flüchtigen nutzt den Himmel als Bildträger, lässt das Berliner Museum als Wolkenfabrik erscheinen, als Gedankenstätte, Illusionsmaschine, Kraftwerk – Verkörperung geistiger Freiheit jenseits gesellschaftspolitischer Zwänge: Energie, die aus dem Tempel der Kunst, dem White Cube befreit und in unsere Welt entlassen wird, so dass die ästhetische Grenze zwischen Betrachterrealität und Kunstsphäre schwindet. Während der Nebel für die sich im Inneren des Gebäudes aufhaltenden Besucher teils die Sicht auf den Außenraum verunklärte, war FREISETZUNG draußen von Weitem sichtbar und manipuliert das vertraute urbane Umfeld, zudem verkörpert es die schillernde Ambivalenz von Schönheit und Schrecken, von der unbestrittenen Macht der Bilder, die kontextbedingt einer unterschiedlichen semantischen Aufladung unterliegen – zwischen zeitgenössischer Kunstschau anlässlich des Berliner Festivals of Future Nows und wie zum Beispiel der kürzlich omnipräsenten Fotos durch die Berichterstattung aus dem Krisengebiet Kobanê.
Die inszenierte Umwandlung von Materialien bzw. Überführung in wechselnde Aggregatzustände knüpft auf kunsthistorischer Ebene an Josef Beuys´ Plastisch-Thermisches Urmeter (1984), eine kleine weiße, dicht über dem Boden aufsteigende Dampfwolke an – in dessen Worten: „Mach mal’n bißchen Dampf, […] geh mal ein bißchen schärfer an die Fragen heran […]“. So stehen beide Werke für Transformation und Entdifferenzierung, für den Verlust von Ordnung – und sind zugleich ikonische Zeugnisse einer liquiden Moderne. (Text: Ursula Ströbele)

Fabian Knecht- FREISETZUNG
5.12. – 11.12.2014

alexanderlevy
Rudi-Dutschke-Straße 26
10969 Berlin

Dienstag bis Samstag 11-18 Uhr
und auf Anfrage

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