Soja-Flüchtlinge & Saatgut-Riesen in Paraguay | Schluckt Bayer Monsanto?
Die Übernahme von Monsanto durch Bayer ist heiß umstritten. Es wäre der größte Deal dieser Art, den ein deutscher Konzern je im Ausland gestemmt hat – ein Milliarden-Deal mit weitreichenden Folgen für Menschen weltweit.
Schon jetzt kontrollieren nur noch wenige Akteure die Versorgung mit Nahrung – schluckt Bayer Monsanto, werden es noch weniger. Gentechnik könnte durch die Hintertür in dem deutschen Konzern Fuß fassen. Aber vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern würden den Deal der Big Player zu spüren bekommen. Aysche Wesche hat mit Miguel Lovera über die Monsanto-Übernahme durch Bayer gesprochen….
Damit wirbt der deutsche Pharmariese im spanischsprachigen Raum. Bald könnte es heißen: Wo Bayer draufsteht, ist Monsanto drin. Die Übernahme des Konzerns scheint bereits ausgemachte Sache. Ein Deal mit verheerenden Folgen, sagt Miguel Lovera, ehemaliger Leiter der Saatgutbehörde Paraguays unter Präsident Fernando Lugo, der 2012 nach einem kalten Putsch abdanken musste. Gemeinsam kämpften sie gegen die Übermacht der Konzerne.„Wenn es Bayer ist, ist es gut!“
Lovera macht weiter, heute in diversen NGOs. Sein Land ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert wenn Konzerne in Wirtschaft und Politik mitmischen. Vor dem Putsch ignorierten sie laut Lovera unliebsame Gesetze, den Rest regelten sie mit Geld:
„Es war tatsächlich so, dass Loyalität in den Behörden einen Preis hatte und dieser Preis auch bezahlt wurde. Nach dem Putsch von 2012 hat sich die Situation völlig anders dargestellt. Es gab eine totale Harmonie zwischen der Regierung und dem Agrarbusiness. Das bestätigt, dass das Agrarbusiness zum Putsch beigetragen hat. Denn wenn ein Akteur solche Vorteile davon trägt, dann ist das ein guter Hinweis, dass er auch beteiligt daran war.“
Innerhalb von nur sieben Monaten wurden Lizenzen für Genpflanzen erlassen und Gesetze gekippt, die den Konzernen schon lange ein Dorn im Auge waren. Für einige wenige geht die Rechnung auf: 2,5 Prozent der Bevölkerung besitzen heute 85 Prozent des Bodens – größte Gewinner sind, Überraschung: Monsanto und Bayer. Auf 3,3 Millionen Hektar werden Sojabohnen angebaut, meist mit Monsanto-Samen. Das sind immerhin 60 Prozent aller für den Anbau geeigneten Flächen. Land, das nicht einfach da ist. Immer mehr Kleinbauern und Indigene müssen ihren Boden abtreten:
„In diesen Fällen wurde deutlich gezeigt, wie Agrarindustrielle im Verbund mit Polizei und Sicherheitsorganen diese Landwirte einfach geräumt haben. Wir nennen sie Soja-Flüchtlinge, sie können entweder in die Stadt gehen oder sie suchen sich neues Land, das sie besetzen. Doch das tun sie immer in einer sehr prekären Situation, denn sie haben keine formellen Landtitel. Oft werden sie dann wieder geräumt.“
Statt Früchten, Weizen und Co. wächst danach nur noch eins: Soja, Soja und noch mal Soja. Konventioneller oder ökologischer Anbau ist selten; die Felder vor den Genpflanzen zu schützen so gut wie unmöglich. Behandelt werden Monsantos Sprösslinge mit dem hauseigenem Herbizid Roundup, ein Mittel auf Glyphosat-Basis. Da die optimierten Pflänzchen jedoch super resistent sind, haben viele Bauern die Dosis ums Fünffache hochgeschraubt. Zahlen müssen das die Landwirte – nicht nur mit Geld:
„Ein befreundeter Medizinprofessor an der nationalen Universität von Ascunsion hat mir erzählt, dass sich die Fälle von Lymphknotenkrebs in Paraguay verdoppelt haben oder sogar noch mehr. Das ist eine Folge des Einsatzes von Roundup, denn die Meisten kommen aus einer Zone wo Soja angebaut wird und damit auch Roundup und Glyphosat zum Einsatz kommen.“
Der Cocktail aus Monokulturen und Chemikalien ist pures Gift für den Boden. Damit das Ackerland nicht ausgeht, müssen auch Wälder dran glauben. Die Chaco Region im Norden des Landes hat derzeit die höchste Abholzungsrate der Welt, sagt Lovera. So kommt es, dass sich Paraguay zum viertgrößten Sojalieferanten weltweit gemausert hat. Viele traurige Superlative für so ein kleines Land. Lovera macht deshalb weiter. Die Übernahme von Monsanto wird er Bayer kaum ausreden können. Aber sie sollen wissen, dass er ihnen ganz genau auf die Finger gucken wird:
„Bayer und Monsanto werden als gemeinsames Unternehmen sehr viel stärker sein und sie werden versuchen, Konflikte zu vermeiden. Denn wenn sie sehr aggressiv auftreten, dann werden sie auch eine größere Reaktion hervorrufen, eine größere legitime Reaktion.“
:infoboxaysche: