Das Kiezleben in der Weisestraße Ecke Kienitzer Straße in Neukölln (Foto: Aysche Wesche)
Das Kiezleben in der Weisestraße Ecke Kienitzer Straße in Neukölln (Foto: Aysche Wesche)

Weisestraße Ecke Kienitzer Straße in Neukölln | Flux im Kiez

▷ Letzte Änderung: 2017-07-05
By Constanze [FluxFM] |

Was so ein bisschen Wartezeit doch mit sich bringen kann. Unsere Kollegin Aysche Wesche hatte vergangene Woche einen Termin in Neukölln. Weil „Termin“ in Berlin aber nicht gleich „Termin“ heißt, blieb ihr eine gute Stunde Zeit zu überbrücken – einen Kaffee zu trinken und durch die Straßen zu schlendern, kurzum: eine gute Stunde Zeit die Weisestraße Ecke Kienitzer Straße in Neukölln genauer unter die Lupe zu nehmen.


Die Weisestraße liegt mitten im Schillerkiez – eine Gegend zwischen steigenden Mieten, Aufbruchstimmung und alteingesessenen Menschen und Geschäften. Wie Hannelore. Sie steht hinter dem Tresen in ihrem kleinen Laden mit vergilbtem Schild. Über der Tür steht „Vierländer Goldei“:

Na was steckt dahinter: Eier! Ja, also das mache ich jetzt hier schon seit 25 Jahren, ein paar mal umziehen müssen und ansonsten haben wir eben sehr sehr viel Kundschaft, weil es eben sehr, sehr gute Ware ist. Moment, ich muss mal bedienen… Ja, wir haben die ganze BSR als Kundschaft, das geht also kistenweise raus.

Im hinteren Raum stehen Umzugkartons, bis unter die Decke gestapelt, alle voll mit Eiern. Ringsherum sind Regale und in den Fächern: nichts außer Eier.

Ecke Kinietzer Straße liegt der Laden Hase. Hier kann man sich alles leihen, was auf dem Tempelhofer Feld Spaß macht: Longboards, Boule-Sets, Slacklines und vieles mehr. Nur drei Meter weiter, in der Kienitzer Straße selbst treffe ich auf Rudi. Er lebt seit 1961 auf der Ecke und kann sich nicht mehr vorstellen woanders hin zu ziehen:

Man unterhält sich, nech. Da ist nix gegen gesagt. Die fragen auch immer ‚Rudi können wir watt helfen?‘ Also datt haut schon hin bei uns.

Fast genauso lange lebt auch Rosi hier – treffen kann man sie in ihrem Blumenladen direkt neben dem Co-Workingspace You Never Work Alone und schräg gegenüber von mehreren kleinen, hippen Cafés. Sie findet diesen Wandel positiv:

Vom Publikum hier – die sind einfach netter, fröhlicher, gut gelaunt.

Teil davon ist Ann-Kathrin mit ihrem Modelabel Rita In Palma: ein heller Raum, in der Mitte Sofas und Sessel, auf denen eine Runde Frauen sitzt, viele mit Kopftuch und in Handarbeiten vertieft. Seit 2012 arbeiten sie zusammen:

Weil ich eben wusste, dass die in der Türkei das wahnsinnig gut können. Und inzwischen ist daraus auch ein riesiges Sozialprojekt geworden. Wir haben den gemeinnützigen Verein Von Meisterhand, wo wir Deutschunterricht anbieten und Yoga, Pilates und Beratung bei Behördengeschichten. Jetzt sitze ich gerade dran mit Shabana, meiner Häkelkönigin aus Pakistan.

Shabana ist eine von acht Festangestellten – für sie ein wichtiger Schritt, vor allem seit ihrer Scheidung:

Ich habe hier Deutsch gelernt und das ist sehr gut für mich. Früher war gar nichts, ich war Hausfrau und sonst nichts. Habe immer Freundschaft gemacht und immer bleibe ich Zuhause.

Die Frauen häkeln meist Accessoires, aber auch Bikinis und für das KaDeWe gabs schon mal eine Fetisch-Kollektion – sie brechen gern mit Klischees. Keine fünf Minuten entfernt geht’s auch um Handwerk, bei Common Ground. Robert und Walter sitzen auf der Türschwelle, trinken Kaffee und rauchen. Drinnen stehen elektronische Geräte, meist Synthesizer Marke Eigenbau. Aber nicht nur Musikgeräte sind ihr Ding:

Alles! Wir reparieren Lampen, Fernseher, Plattenspieler, Föns, Radios – ja.

Durch das Schaufenster gegenüber leuchtet eine große, rote Schultheiß-Reklame: das Aller Eck hat schon offen. Drinnen sitzt die gute Seele der Kneipe: Elke. Die Zeiten von Herrengedeck, Dartverein und Co. sind hier aber schon lange vorbei:

’n Punkerladen – finde ick aber jut!

Ein Kiez im Wandel, der es aber trotzdem schafft viel von dem zu erhalten, was ihn mal ausgemacht hat. Jascha vom Laden Hase spricht deshalb gern vom Analogen Kiez:

Es hat irgendwie so was Echtes.

:infoboxaysche:

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