Shoot It Yourself | Der DIY-Workshop zum perfekten Musikvideo(dreh)
Wer glaubt, dass Musikvideos nicht mehr wichtig sind seit es MTV nicht mehr auf der Antenne gibt, hat sich geirrt. In Zeiten von Social Media verbreiten sich gutgemachte Videos irrsinnig schnell und Menschen werden dadurch auf Bands aufmerksam, die sie musikalisch noch gar nicht auf dem Schirm hatten. Die Regisseurin Stephanie von Beauvais geht sogar soweit, dass sie Musikvideos eine größere Bedeutung als Bandfotos beimisst. Imagewechsel, Booking und die Suche nach einem passenden Manager werden durch die bewegten Bilder wesentlich erleichtert.
Stephanie von Beauvais, hat Videos von Tocotronic (u.a. Auf dem Pfad der Dämmerung) , Turbostaat (Harm Rochel), Kante (Ich hab’s gesehen), Laing (u.a. Morgens immer müde) und vielen anderen gedreht. Sie will Musikerinnen und Musikern helfen, im Low-Budget-Bereich eigene Videos zu drehen. Shoot It Yourself nennt sie ihren Workshop auffordernd. Am 30. Mai 2016 startete der erste dieser Art. Onlineredakteurin Sophie Euler hat sich das Ganze mal von der Nähe angesehen.
Fünf Videokonzepte sollen in nur fünf Tagen ausgearbeitet werden. Danach haben alle TeilnehmerInnen knapp einen Monat Zeit, Gelerntes umzusetzen. Im Juli wird gemeinschaftlich geschnitten. Technisches Know-How und Unmengen an kreativer Ideen im Umgang mit Kameras, DIY-Equipment und sogar wertvolle Tipps für den Besuch im Filmgeräteverleih, kommen von Stephanie von Beauvais höchstpersönlich. Umgesetzt werden sollen Videos der Bands Animals In Disguise, Lemur und Marten McFly, Safi, Nessi und Lane Of Lion – sie konnten mit ihren Bewerbungen bzw. Konzepten überzeugen und dürfen am ersten Shoot It Yourself-Workshop im Acud Macht Neu in Berlin teilnehmen.
So unterschiedlich die Musik der teilnehmenden KünstlerInnen ist, so unterschiedlich sind auch deren persönliche Erfahrungen im Musikvideo-Bereich. Während Lemur und Marten McFly nicht persönlich beim Workshop teilnehmen, sondern ein videoaffiner Freund der Musiker namens Holger, will die junge Band Lane Of Lion alles selbst machen. Die Mitglieder sind zwischen 15 und 22 Jahre alt. Alisa (20) und Luca (22) – Gitarristinnen und Sängerinnen – haben kaum technisches Wissen und bis jetzt nur einige Proben mitgefilmt. Sie fühlen sich nach eigenen Angaben bereits am 3. Workshop-Tag sicherer bei der Umsetzung ihrer Idee. Die Sache mit dem C-Teil im Video zum Beispiel, die wird Lane Of Lion erst jetzt bewusst. „Da müssen wir unser Konzept nochmal überdenken..“, sagen die beiden.
Es herrscht ein reger Austausch unter allen TeilnehmerInnen – stets auf Augenhöhe. Und auch Steph, wie sie von allen Anwesenden genannt wird, lockert ihre Vorträge über die Kelvinzahl von Tages- und Kunstlicht, Kameraschwenks und dem Formatwechsel von 4:3 auf 16:9, mit Erzählungen zu eigenen Videodrehs immer wieder auf. Man bekommt ganz viel Insiderwissen zu den einzelnen Videos. Zum Beispiel, dass der Dreh zu „This Boy Is Tocotronic“ oder wie Steph es nennt „Der Märchenfilm“, extrem stressig war, weil sowohl Kinder als auch Tiere am Set waren und Steph zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Erfahrung mit „Jungs mit Gitarren“ aka Performance in Videos hatte. Oder dass sie den denkbar unpassendsten Tag für das nächtliche Shooting von Turbostaats „Harm Rochel“ gewählt hat – den 20. Juni mit der kürzesten Nacht des ganzen Jahres… Der Dreh wurde zum Wettlauf gegen die Zeit, im Endprodukt merkt man davon nichts.
Die Bandbreite der Musikvideos, für die Steph von Beauvais verantwortlich ist, ist beeindruckend. Doch bevor man das Gefühl bekommt, dass diese Frau gar nicht mehr besser werden kann in ihrem Handwerk, macht die gebürtige Hessin auf sympathische Art und Weise alle Anwesenden auf sämtliche Fehler in ihren eigenen Videos aufmerksam – „Fehler“ im Auges des Betrachters, versteht sich.
Immer wieder kommen Freunde aus dem Business vorbei, die von Steph eingeladen wurden und ebenfalls ihr Wissen an die TeilnehmerInnen weitergeben sollen. Fotografin und Lichtassistentin Julia spricht genauso wichtige Punkte an wie Make Up Artist Martin oder Cutterin Alex. Besonders positiv fällt außerdem auf, dass sich bei Shoot It Yourself nicht nur alles um das technische und konzeptionelle „Wie?“ bzw. „Was?“ dreht, sondern auch das Drumherum besprochen wird. „Denkt an die Leute beim Dreh, sorgt für gutes Catering, macht nicht zu lange Drehtage / im besten Fall kennt ihr den Musikgeschmack eurer befreundeten Techniker – bittet einen Singer-Songwriter-Fan nicht bei einem Video für eine Metal-Band um Hilfe / zieht euch statt des schwarzen ein buntes Tshirt an, wenn ihr mit Kindern dreht, dann haben die weniger Angst…“ Man ahnt, was Stephanie von Beauvais bereits für Erfahrungen in diversen Drehs gemacht hat.
Der nächste Shoot It Yourself-Workshop findet am 19.12.2016 statt, veranstaltet von der Musik-Plattform Musicpool Berlin. Außerdem möchte Stephanie von Beauvais noch in diesem Jahr ein Shoot-It-Yourself-Handbuch veröffentlichen.
Am 12. April 2016 war Steph von Beauvais zu Gast bei Nadine Kreutzer im FluxFM-Studio. Das Interview könnt ihr hier nachhören:
Am 2. November 2016 war Stephanie von Beauvais zu Gast bei Katia Berg in der Morningshow am Nachmittag, um über ihre Arbeit bisher und ihre Pläne für die Zukunft zu reden. Das Interview gibt es hier zum Nachhören:
UPDATE: Hier gibt’s ein schönes Making Of-Video!
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