Credit: Timo Klöppel

Timo Klöppel – NACHTMEERFAHRTEN | Radio Arty

▷ Letzte Änderung: 2015-07-15
By Sophie [FluxFM] |
Im Radio:
16. Juli 2015, 19 Uhr
20. Juli 2015, 24 Uhr

Radio Arty Logo Diese Woche kommt der Künstler Timo Klöppel zu Radio Arty.


Timo Klöppel – NACHTMEERFAHRTEN

In vielen Mythen muss der Held eine Nachtmeerfahrt durchmachen, in der er rätselhaften Wesen und gefährlichen Situationen begegnet.

Der Psychologe Carl Gustav Jung ging selbst auf solche Nachtmeerfahrten. Jung, ein begeisterter Segler, nicht aus einer sportlichen Ambition heraus, sondern vielmehr zum meditativem Gespräch mit den Elementen, widmete sich auf einer mehrtätigen Überfahrt auf dem Zürichsee Homers Odyssee, dessen Begegnungen mit Zauberen, Dämonen und der Unterwelt in Mitten der Natur plastische Gestalt annehmen. Er nannte solche Reisen Nachtmeerfahrten.

Versteht C.G. Jung eine Reise also als die Hineinkehr zu sich selbst, als eine Auseinandersetzung mit dem Unbewussten, Träumen und Archetypen, wirdReise heute als die Fortbewegung eines Menschen verstanden, um ein einzelnes Ziel zu erreichen bzw. mehrere Orte kennenzulernen. Den Ausdruck Reise gibt es schon seit dem 9. Jahrhundert. Das althochdeutsche Wort reisa bedeutete „Aufbruch, Zug, Fahrt“ und bezeichnete damit das Sich-Auf-Den-Weg-Machen.

Im Ursprung des Wortes geht es also gar nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern vielmehr um einen Aufbruch, eine Loslösung, einen Abschied von einem bestimmten Ort. Somit kann die Reise an sich schon das Ziel sein. In einer Gesellschaft in der man sich in dem Versuch der ständigen Selbstoptimierung freiwillig und andauernd selbst ausbeutet, kann genau dieses Loslösen, Freiheit bedeuten. Da diese Selbstoptimierung erschöpft und einen den Bezug zu physischen Dingen verlieren lässt, führt eine Reise unter Umständen zu Einsamkeit, aber auch zu Entschleunigung.

Mit eben diesem Ziel ging der Künstler Timo Klöppel Mitte November 2014 an Bord des Segelschiffes Tres Hombres.

In der aktuellen Ausstellung thematisiert Klöppel die wichtigste und besonderste Erfahrung der Reise, die auch ihre hauptsächlichste Intention war: Die 13-tägige Atlantiküberquerung von den Kapverdischen Inseln nach Saint Lucia in der Karibik. Auf diese Überfahrt hat er sich bereits 2012 mit seiner Ausstellung Licht Ist In Der Kleinsten Hütte „vorbereitet“, in der er durch das Auskleiden seines Atelier mit Milchglasscheiben und schwarzem Kies einen Raum im Raum erschuf. Losgelöst von der Umwelt, zog der Künstler sich zwei Wochen zum Schreiben und Denken in diese Raumschachtel zurück. Auch in den folgenden Ausstellungen Lateinisches Land in der Galerie KWADRAT sowie Klöppels Arbeit Meer Licht bei der Art Berlin Contemporary 2013 ist es das tragende Topos.

Es ist die Abgeschiedenheit der städtischen Dinglichkeit, das ständige Ausbalancieren, die ständige Bewegung auf einem Segelschiff, die Klöppel auf seiner Überfahrt beeindrucken und beschäftigen, nicht wie erwartet die Weite. Es ist die Ohnmacht, ob der unendlichen Tiefe, die sich unter einem befindet, wenn man wie in einer Nussschale über sie hinweg gleitet. Es sind die Kräfte eines Sturmes, die einen schwerelos und leicht fühlen lassen, dessen Kräften man sich hingeben will. Alles um einen herum, ist unentdeckt, neu und verführerisch. Man beschäftigt sich tagtäglich mit der Gefahr, die das offene Meer birgt, die einem niemals Ruhe gibt, um sich mit sich selber auseinanderzusetzen oder den nächsten Tag zu planen. Aber es gibt auch gar nichts zu planen. Man wird wie in einer Wiege ununterbrochen hin- und hergeschaukelt, ein Gefühl von Geborgenheit und zugleich völligem Ausgeliefertsein..

Mit NACHTMEERFAHRTEN erschafft Klöppel eine haptische, begehbare und erlebbare Welt, die mit Bezug auf Carl Gustav Jung, an Schwellenorte zwischen den inneren und äußeren Zuständen der Welt erinnert und die Konstruiertheit unserer Wahrnehmung hinterfragt. (Text: Mareike Hadler)

Timo Klöppel – NACHTMEERFAHRTEN
Ausstellungsdauer: 11.07.15 – 08.08.15
Besichtigung: Mi. – Sa. 13-19h
Galerie KWADRAT
Manteuffelstraße 92
10997 Berlin

 

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