Bettina Krieg, untitled, 2015, pigmentliner on paper, 200x150cm, courtesy the artist (Ausschnitt)
Bettina Krieg, untitled, 2015, pigmentliner on paper, 200x150cm, courtesy the artist (Ausschnitt)

Jan-Philipp Fruehsorge, Stephan Köhler & Ralf Ziervogel | Radio Arty

▷ Letzte Änderung: 2016-07-01
By Nina [FluxFM] |
Im Radio:
30. Juni 2016, 19 Uhr
4. Juli 2016, 24 Uhr

Radio Arty LogoBei Radio Arty sind dieses Mal der Kurator (oder Übersetzer, wie er sich selbst nennen würde) Jan-Philipp Fruehsorge, Galeriemanager Stephan Köhler und der Künstler Ralf Ziervogel zu Gast.


Name?

Jan-Philipp Fruehsorge

Wie beschreibst du/andere deine Arbeit?

Die klassische Antwort lautet ja wohl darauf immer: Vermittler, aber da muss ich immer gleich an das Jobcenter denken… und Kurator ist heute sowieso jeder, Übersetzer wäre vielleicht passend. Richard Serra, hat ja mal gesagt, Zeichnung sei eine andere Art von Sprache, insofern würde ich für mich in Anspruch nehmen, anderen das Zeichnungsidiom zu übersetzen oder ihnen dabei Lektürehilfen zu geben. Es ist ja schon viel gewonnen, wenn man nicht immer wieder erklären müsste, was Zeichnung heute alles sein kann. Nach 12 Jahren Galeriearbeit habe ich jedenfalls das Handtuch geworfen und versuche nun einen Nonprofit-Raum für Zeichnung in Berlin aufzubauen – The Drawing Hub.

Die Idee dahinter ist, dass es keinen expliziten solchen Ort bislang gibt. Das Kupferstichkabinett hat sich um die Schätze der Vergangenheit zu kümmern und ab und zu mal um die Gegenwart… aber angesichts der Unmengen an großartigen KünstlerInnen, die allein in Berlin sich dem Medium widmen, braucht es einen solchen Raum. Da bin ich felsenfest von überzeugt! Und das Ganze ist – daher HUB – Teil eines Netzwerkes ähnlicher Räume und Initiativen, von London über Oslo, Paris, die Niederlande, bis schließlich nach New York. Und letztlich könnte so ein Projekt eine Brücke schlagen zwischen dem akademischen Betrieb, TheoretikerInnen, KuratorInnen, den Belangen, die von KünstlerInnen geäußert werden bis hin zu SammlerInnen und den interessierten sogenannten NormalbesucherInnen.

Was treibt dich an?

„Die Lust an der Zeichnung,“ nennt es Jean-Luc Nancy, (sorry, eigentlich nervt es mich, wenn ständig mit Zitaten geantwortet wird), über Zeichnung nachzudenken und vor allem sie immer wieder aufs Neue anzuschauen, alte wie neue Zeichnungen!

Wann kann man das nächste Mal etwas von dir sehen (Ausstellung o.ä.)?

Eine Ausstellung, die ich in Bristol organisiere zu George Perecs Buch „Espèces d’Espaces“. Und nächstes Jahr in Paris mit dem Fotografen Roger Ballen und dem niederländischen Zeichner Hans Lemmen.

Wer sollte dort vorbeikommen?

Man sollte die Briten jetzt sowieso ganz oft besuchen, keine ganz leichte Zeit, nach dem, was da grade passiert.

Was ist dein Kunst-Insidertipp?

Giovanna Sartis wundervolles Online Archiv Drawing Storage

Was muss man sonst noch über dich wissen?

Gebürtiger Berliner, echt! Wie bei den meisten Kunsthistorikern war es ganz sicher der Mangel an künstlerischem Talent, der mich zum Studium getrieben hat. Wobei ich ursprünglich als Regisseur ans Theater wollte und da auch kurz Station gemacht habe, bis ich festgestellt habe, dass das ein total pathologischer und inzestuöser Betrieb ist, was ja trotzdem, wenn nicht gar deswegen oft zu den schönsten Ergebnissen führen kann. Nur wollte ich mir das nicht dauerhaft antun.

Studium der Kunstgeschichte, Geschichte, Theater- und Filmwissenschaft an der FU, Kunst und Filmkritiker für den Tagesspiegel und die Berliner Seiten der FAZ; Eine Zeit in New York gelebt, Galerieassistent; Dann eigene Galerie 2003-2015 fruehsorge contemporary drawings; Kooperationen mit internationalen Zeichnungsinstitutionen, Sammlungen und Projekten: C4RD, London, The Drawing Room London, Drawing Center Diepenheim, NL, FUKT – Magazine for Drawing, the Big Draw, Anonyme Zeichner, Sarah-Ann und Werner H. Kramarsky Collection, NYC, Rijksmuseum Amsterdam, Herausgeber und Autor von Publikationen zur Zeichnung


Stephan Köhlers Passbild

Name?

Stephan Köhler (stephankoehler.de | frontviews.de)

Was machst Du?

Ich bin Galeriemanager und Kurator in Berlin.

Erzähle uns bitte etwas über Deine aktuelle Ausstellung:

Die Ausstellung heißt in „In Correspondence with the drawing“ und Willem Besselink, Larissa Fassler, Nadine Fecht, Bettina Krieg, Caroline Kryzecki, Keita Mori, Timo Nasseri, Ignacio Uriarte, Jorinde Voigt, Ralf Ziervogel nehmen daran teil.

Gerade bei der Zeichnung ist die Effektivität zwischen der Limitierung der Mittel und der Komplexität der Wirkung besonders groß. Ein Stift und eine Fläche reichen aus, um eine sehr komplexe Idee greifbar zu machen. Nur durch Setzung und Organisation von Punkten, Linien, Codes, Strukturen usw. auf der können Dinge abgebildet bzw. teils komplizierte Vorstellungen des Zeichners akkurat in die Welt gesetzt werden. So ist der Vorgang des Zeichnens praktisch die Erschaffung und Präzisierung eines geistigen Impulses „in die Realität hinein“.

Ein spezieller Typus von Zeichnung führt diese Zusammenhänge besonders prägnant vor Augen. Hier wird die Darstellung aus wenigen, vorher festgelegten Regeln und wiederkehrenden Notationen generiert, die sich akribisch über den Träger ausbreiten und in ihrer finalen Komplexität verblüffen. Gleich der Ausführung eines digitalen Programmes expandiert die vorgegebene Systematik auf dem grafischen Grund. Wir wollen in diesem Fall von „Systematischer Zeichnung“ sprechen. Die Bezüge zwischen den Systematischen Zeichnungen aus der Hand des gleichen Urhebers schaffen ein Zeichnerisches System. Dabei kommt eine häufige Ähnlichkeit mit Landkarten oder wissenschaftlichen Diagrammen nicht von ungefähr.
 
Die Sommerausstellung „In Correspondence with the drawing“ (zeichnungsgerecht) stellt einige der interessantesten Zeichnerischen Systeme der letzten Jahre vor. Sie bietet einen Überblick der akuten Entwicklungen aus den einzelnen Ateliers dieser bemerkenswerten „systematischen“ Zeichner, einen eher punktuellen Querschnitt zum Sommer 2016. Die Ausstellung ist somit eher als „Einstieg“ in diese graphischen Welten konzipiert und damit eine Einladung an die Besucher weiter zu gehen.

Was treibt dich bei Deiner kuratorischen Arbeit an?

Der Motor ist sicherlich erst mal grundsätzlich meine persönliche ungebrochene Faszination für Kunst, Philosophie und Politik. Das wird dann kanalisiert in meinen Versuchen Gesellschaft und Kultur auf eine Art zu durchdenken und erfahrbar zu machen, bei der Funktionalität und finanzielle Verwertbarkeit nicht ausschlaggebend sind für die Art zu agieren, sondern erst mal die Anwesenheit der Phänomene und Objekte an sich. Also im Grunde genommen der Spaß daran interessante Dinge in einen Raum zu stellen, sich dann zu treffen und darüber zu reden.

Wann kann man das nächste Mal eine von Dir kuratierte Ausstellung sehen?
„In Correspondence with the drawing“
01.07. – 13.08.
Michael Fuchs Galerie
Auguststraße 11-13
10117 Berlin
»Idiopolis« ed.2
09.12. – 31.12.
State of Concept
Tousa Botsari 19
Athen

Wer sollte dort vorbeikommen?

Bei „Correspondence…“: Leute, welche die Zeit, Lust und Fantasie mitbringen sich in zeichnerische Systeme zu vertiefen. Und bei »Idiopolis«: Leute die in Athen sind, Griechenland mögen und sich fragen, ob und wie künstlerisches Handeln in gesellschaftlichen Konflikten eine Wirksamkeit entfalten kann.

Was ist dein Kunst-Insidertipp?

Eine persönliche möglichst klare Haltung zur aktuellen Biennale zu entwickeln, dazu muss man dann auch leider (immer noch !) mal selber hingehen. Und sich dann belohnen, indem man sich final in der Akademie die Arbeit von Jon Rafman auf der Terrasse im 4. Stock gibt.

Was muss man sonst noch über dich wissen?

Unser Kollektiv Frontviews sind die Menschen, mit denen ich mich verstärkt austausche und zusammenarbeite, wenn es darum geht Kunst zu zeigen.

:infoboxyaneq:

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